Dezember 2016 - Bruce Springsteen - The Ghost Of Tom Joad

 
badMoon
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Dezember 2016 - Bruce Springsteen - The Ghost Of Tom Joad

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Gepostet: 04.12.2016 - 17:58 Uhr  ·  #1
Bruce Springsteen - The Ghost Of Tom Joad / Folk / USA 1995 / Spielzeit 50:16

Pfui Deibel – die Neunziger. Und dann auch noch der Springsteen. Heißt – die in den 70ern Steckengebliebenen sowie Bruce-Vorurteilsbehafteten könnten gleich wegklicken.

Oder doch nicht?

Bruce Springsteen! Das ist Der Boss. Das ist Born In The USA. Das ist der Millionen-Plattenverkäufer.

Und das ist der, der sich des Öfteren kritisch mit den USA und dem American Way Of Life auseinandersetzt. Den Loosern und Underdogs ein Gesicht gibt. Die düsteren Seiten des Jeder-Kanns-Schaffen-Landes aufzeigt.

Promotionvideo "The Ghost Of Tom Joad"

Dies hat er nie so laut und deutlich gemacht wie mit dem 1995 erschienen Album „The Ghost Of Tom Joad“. Wüsste der Hörer nicht, dass es sich hier um Springsteen handelt – es wäre bei flüchtigem Hinhören wohl nur an der Stimme erkennbar.

Tom Joad. Das ist die Hauptfigur des Romans „Früchte des Zorns“ von John Steinbeck, ausgezeichnet 1940 mit dem Pulitzer-Preis. Eine erste Verfilmung fand 1940 statt (Regie: John Ford / Henry Fonda als Tom Joad / John Carradine als Jim Casy / Jane Darwell als Mutter).

Der Roman diente dem Album „Dust And Dreams / 1991“ der Gruppe Camel als Vorlage für eben dieses Konzeptalbum, und bereits vor Springsteen widmete der Folksänger Woody Guthrie der Romanfigur Tom Joad eine Ballade. Das hier vorgestellte Album letztendlich erhielt 1997 mit dem Grammy eine Auszeichnung als „Best Contemporary Folk Album“.

Kurzinhalt, entnommen wikipedia:

Als nach einer längeren Dürre die Farmerfamilie Joad in Oklahoma ihre Schuldzinsen nicht mehr bezahlen kann, wird sie von den Grundbesitzern vom nur mehr in Pacht bewirtschafteten Land vertrieben. Auf Handzettel hin, auf denen gut bezahlte Arbeit als Landarbeiter in Kalifornien versprochen wird, macht sich die Familie wie hunderttausend andere mit einem schrottreifen Lastwagen auf den Weg nach Westen. Neben den Eltern reisen die Großeltern, der Onkel, die erwachsenen Söhne Tom, Al und Noah, die schwangere Tochter Rose of Sharon (Anspielung auf die biblische Rose von Scharon) mit ihrem jungen Mann Connie, die Kinder Ruthie und Winfield und der Wanderprediger Jim Casy. Die Großeltern verkraften den Verlust der Heimat nicht und sterben bereits auf der beschwerlichen Fahrt. Noah und Connie laufen davon. Der Vater verliert resignierend seine Führungsrolle immer mehr an die Mutter, die mit aller Kraft ein Auseinanderbrechen der Familie zu verhindern versucht. Tom, der wegen Totschlags im Gefängnis gesessen hatte und gerade erst auf Bewährung entlassen worden war, ist eine weitere Stütze.

The Ghost Of Tom Joad. Ein Werk weit abseits der bislang bekannten Springsteen-Alben. Wenngleich es häufig in einem Zug mit seinem Album „Nebraska“ genannt wird, sticht es doch im Vergleich damit und nach mehrmaligem Hören weit hervor.

Minimalistisch sein Gesang, ganz verhalten die spartanische Instrumentierung, leise und klagend die akustische Gitarre oder die einsetzende Mundharmonika. Oft nur im Hintergrund ist der Bass zu hören, und letztendlich wird fast jeder Song nach kurzer Einspielzeit durch Keyboardklänge melancholisch getragen.

Der typische Springsteen-Hörer mag nach dem ersten Durchgang verstört, erschreckt oder enttäuscht zurückbleiben. Folkhörer, die möglicherweise zufällig an dieses Album geraten sind, dürften gleich in dessen Bann geraten. Zwölf Songs voll düsterer, leiser Schönheit zerren die dunklen Seiten des American Dream gerade durch den minimalistischen Gesang sowie die zurückhaltende Instrumentierung ins Bewusstsein des Hörers.

Das Thema „Tom Joad“, gewuchtet aus dem Roman in die „Neuzeit“, zieht sich nicht vollständig durch das Album. Aber es war wohl der Auslöser für all die kleinen Stories des Albums, die sich mit den Outlaws, den Verlierern oder Vergessenen des American Way Of Life auseinandersetzen.


The Ghost Of Tom Joad

„Straight Time“ beschreibt das Leben eines ehemaligen Strafgefangenen, dem es auch nach vielen Jahren nicht gelingt, in ein “normales”, bürgerliches Leben zurückzufinden


Straight Time

Heute aktueller denn je „Sinaloa Cowboys“, ein Stück, welches sich mit dem Schicksal illegaler Einwanderer beschäftigt und mehr als geeignet dazu scheint, den Text auf aktuelle Flüchtlingskrisen der Welt umzuschreiben.


Sinola Cowboys

Sinola Cowboys auf youtube

Ebenso tagaktuell ist und bleibt das Thema um das Allheilmittel Droge – hier in Szene gesetzt im Song „Balboa Park“, in dem ein bedeutungsloser Dealer elendig in einem Rinnstein endet.


Balboa Park

Wer sich die Zeit nimmt, dieses Album in Ruhe durchzuhören – vielleicht auch zwei- oder dreimal – wird feststellen, dass es unweigerlich in seinen Bann zieht. Dass es eine Intensität versprüht, die dem Hörer das ein oder andere Mal eine Gänsehaut auf die Arme zaubert. Und ganz bestimmt nicht nur einmal den Weg aus dem Regal in den Player finden wird.


Highway 29

Springsteen ganz anders. Nicht immer. Aber hoffentlich immer Öfters.

* Bruce Springsteen ─ Gesang, Gitarre, Harmonika, Keyboards
* Marty Rifkin ─ Gitarre
* Soosie Tyrell ─ Geige, Hintergrundgesang
* Danny Federici ─ Akkordeon, Keyboards
* Chuck Plotkin ─ Keyboards
* Garry Tallent ─ Bass
* Jim Hanson ─ Bass
* Jennifer Condos ─ Bass
* Gary Mallaber ─ Schlagzeug, Perkussion
* Lisa Lowell ─ Hintergrundgesang
* Patti Scialfa ─ Hintergrundgesang[2]
Leslie
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Re: Dezember 2016 - Bruce Springsteen - The Ghost Of Tom Joad

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Gepostet: 04.12.2016 - 18:18 Uhr  ·  #2
eine Wiederentdeckung aus 1995 - das war doch erst vorgestern <_<

ich mag den Bruce seit seinen Anfangstagen und nicht nur weil er mein Jahrgangskamerad ist - der Boss hat eine Unmenge toller Songs fabriziert - dazu hatte oder hat er eine exzellente Mannschaft

allerdings hatte er eine Todsünde gemacht : der Song Born in the USA ist für mich unerträgliches Gebrülle - das hier vorliegende Album ist prädestiniert für die kommenden dunklen Abende - richtig schöne Musik - auch wenn Bruce teils so schön nuschelt wie mein Freund Bob Dylan - für mich ein schönes Stück Musik!
freaksound
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Re: Dezember 2016 - Bruce Springsteen - The Ghost Of Tom Joad

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Gepostet: 05.12.2016 - 09:29 Uhr  ·  #3
Zitat geschrieben von badMoon

Pfui Deibel – die Neunziger. Und dann auch noch der Springsteen. Heißt – die in den 70ern Steckengebliebenen sowie Bruce-Vorurteilsbehafteten könnten gleich wegklicken.

Oder doch nicht?



ja und nein, du hast recht, daß klingt nicht nach Springstein,
wie ihn erklärte Nichtfans wie meinereiner zu kennen glauben.

Wie schon leslie anmerkte könnte man eher an Dylan als an Bruce
denken.

Ist zwar so gar nicht meine Musik, aber ich muß lobend anerkennen,
daß Springstein facettenreicher ist, als ich bisher annahm.

hier das ganze Album zum anhören:

https://www.youtube.com/watch?v=EFG8HoxTNLg

@BM: mal so am Rande, wie ist denn deine persönliche
"Wiederentdeckungsgeschichte" zu diesem Album?
frimp
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Re: Dezember 2016 - Bruce Springsteen - The Ghost Of Tom Joad

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Gepostet: 05.12.2016 - 09:48 Uhr  ·  #4
Ich hab ja immer so ein wenig mein Problem mit den Problembarden. Bei Bruce muss ich allerdings schon zugeben, dass er im Vergleich zum Oberknödler Dylan auch eine gute Stimme hat.
Einige Titel dieses Albums sind tatsächlich auch ansprechender als die Hitparaden-Gassenhauer à la "BOOOOOAAAAAAAARN".

Allerdings finde ich teilweise Coverversionen, wie das grandiose "Spirits in the Night" oder "Blinded by the Light" von MMEB einfach besser als das Original. Sorry Bruce.
badMoon
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Re: Dezember 2016 - Bruce Springsteen - The Ghost Of Tom Joad

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Gepostet: 05.12.2016 - 09:49 Uhr  ·  #5
Zitat geschrieben von freaksound


@BM: mal so am Rande, wie ist denn deine persönliche
"Wiederentdeckungsgeschichte" zu diesem Album?


Hallo freaksound,

Danke für Deine Rückmeldung. Über die ich mich umso mehr freue als dass ich weiß, dass Du nicht zu den Springsteen-Hörern gehörst.

Nun zu Deiner berechtigten Frage, die natürlich anlässlich des Themas "Wiederentdeckt" beantwortet gehört.

Zunächst einmal ist es so, dass diese Scheibe relativ regelmäßig im Player landet. Zur "Wiederentdeckung" kam es anlässlich des aktuellen Songcontestes. Bei dem mir der titelgebende Song des obigen Albums einfiel und von mir in der Version Springsteen/Morello eingestellt wurde.

Meine "Erstentdeckung" fand ca. 1996 statt. Ich las eine Review zu dem Album, die mich, obwohl wie viele andere hier zur Gruppe der Springsteen-Nichthörer gehörend, sehr neugierig machte. Nach einigen Soundproben musste das Album her. Es überzeugte mich nicht nur thematisch, sondern auch in seiner verhaltenen Art musikalisch. Ich könnte mir vorstellen, dass es zu einem meiner Inselalben werden könnte.

Diesem Album folgten dann noch einige andere Springsteen-Werke. Unter anderem auch das oben erwähnte Werk "Nebraska"
Floyd Pink
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Re: Dezember 2016 - Bruce Springsteen - The Ghost Of Tom Joad

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Gepostet: 05.12.2016 - 11:58 Uhr  ·  #6
Ich finde auch - was denjenigen, der meine sonstigen musikalischen Vorlieben kennt, vielleicht überraschen wird - den ruhigeren Springsteen deutlich interessanter als den rockigen, mit dem ich nicht sehr viel anfangen kann. Wobei man sagen muss, dass "Born In The USA" wohl auch zu den am meisten falsch interpretierten und missverstandenen Songs der Rockhistorie gehört.
kraut-brain
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Re: Dezember 2016 - Bruce Springsteen - The Ghost Of Tom Joad

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Gepostet: 05.12.2016 - 17:00 Uhr  ·  #7
Und wieder einmal zeigt das Thema "Wiederentdeckt" auf, wie facettenreich sich die Geschmäcker der einzelnen Artisten hier im Forum gestalten. Und das ist auch gut so!!!

Sicherlich waren die 90ziger Jahre nicht das Jahrzehnt, dass bei mir musikalisch nachhaltig in Erinnerung geblieben ist. Trotzdem haben einzelne Bands und auch Künstler in diesem Jahrzehnt durchaus hörenswerte Akzente mit ihren Veröffentlichungen gesetzt.

Hätte in dem Eröffnungsthreat nicht der Name Bruce Springsteen gestanden, so hätte ich schon leichte Probleme gehabt, den Sänger einwandfrei zu erkennen. Hierzu muss ich anmerken, dass ich mich mit seinem musikalischen Wirken bisher fast gar nicht auseinandergesetzt habe.

Entscheidend ist für mich nicht, ob mir ein Künster oder eine Band augenscheinlich zusagt, sondern welche Botschaft der jeweilige Artist mit seiner Rezension übermittelt. Das kann sowohl der musikalsiche Beitrag, als auch die textliche Beschreibung dieser Musik sein. Beides wurde in diesem Zusammenhang umfangreich und überzeugend beschrieben, so dass mir persönlich eine andere Musikform zugänglich gemacht wurde. Danke dafür.


LG Kraut-Brain :e:
Trurl
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Re: Dezember 2016 - Bruce Springsteen - The Ghost Of Tom Joad

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Gepostet: 05.12.2016 - 18:22 Uhr  ·  #8
thx für die schöne Rezi. Der BOSS ist bei mir bisher sträflich vernachlässigt worden, aber wie Leslie interessiert mich der ruhige Springsteen sehr, THE RIVER; NEBRASKA und die beschriebene werden sicher den Weg in meine Stapel finden :-)

trurl
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Re: Dezember 2016 - Bruce Springsteen - The Ghost Of Tom Joad

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Gepostet: 06.12.2016 - 21:54 Uhr  ·  #9
Vielen Dank für die Rezi. Wie immer mit viel Arbeit und Liebe zum Detail. Ich selbst bin kein Springsteen-Fan. Ihn selbst finde ich eigentlich recht sympathisch, aber mit seiner Musik kann ich nicht soviel anfangen. Allerdings hat er immer mal wieder auch einen Song für mich dabei. Z.B. The River oder Murder Inc.. Ich habe mir mal von einem Arbeitskollegen sechs Alben (ältere) ausgeliehen. Das oben Besprochene war nicht dabei. Vielleicht sollte ich hier noch mal ein Ohr wagen.
badMoon
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Re: Dezember 2016 - Bruce Springsteen - The Ghost Of Tom Joad

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Gepostet: 07.12.2016 - 06:47 Uhr  ·  #10
Zunächst einmal - allgemein einen herzlichen Dank an alle, die die Wiederentdeckung gelesen oder gelesen und kommentiert haben. Ein paar direkte Antworten dazu:

@frimp

Zu den typischen Springsteen-Hörern gehöre ich auch nicht, ebenfalls sagen mir die "lauten" Scheiben nicht zu. Es sind mehr seine ruhigen Werke, die ich sehr mag.

Die von Dir genannten Coverversionen gefallen mir in der MMEB-Version ebenfalls besser. Haben jedoch mit dem hier vorgestellten Album nichts zu tun 8)

@FloydPink

Jau, Du wandelndes Lexikon, ..."Born In The USA" wird in der Regel als ein Pro-USA-Song interpretiert. Dabei pflückt er sein Heimatland gut auseinander.

Das erinnert mich an eine Kollegin, deren Freundin sich den Song "A Perfect Day" von Reed zu ihrer Hochzeit gewünscht hat. Dass das ein Kiffersong ist, war ihr gänzlich unbekannt. Aber, ...der Refrain hört sich eben so schön an :lol:

@Kraut-Brain, @Trurl

Würde ich die von Trurl genannten Scheiben nicht kennen, würde hier kein Springsteen stehen. Meiner Meinung nach lohnt es sich wirklich, sich bei dem hier vorgestellten Album nicht nur von der Melodie verzaubern zu lassen, sondern sich auch mit den Texten zu beschäftigen.

@Kraut-Brain

Ein weiteres Beispiel für einen anderen Springsteen-Song ist dieser hier:

Lift Me Up

Es ist der Schlusssong aus dem Film "Limbo - Wenn der Nebel sich lichtet", den ich ---> hier vorgestellt habe. Ein phantastischer, leider kaum beachteter Film mit einem sehr verstörenden Ende. Übrigens, den Song hatte ich in einem Musikquiz, welches Womus gewonnen hatte. Er hat dafür den Film "L.A. Crash" erhalten.

Der Ablauf der Radiosendung sowie des Quizes kann ---> hier nachgelesen werden.

@Holger Fischer

Schade, ...die Bruce-Volltreffer waren nicht dabei. Aber, ...das kann geheilt werden <_<
kraut-brain
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Re: Dezember 2016 - Bruce Springsteen - The Ghost Of Tom Joad

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Gepostet: 07.12.2016 - 10:00 Uhr  ·  #11
@ badMoon: Mittlerweile sind einige Tage verstrichen und ich hatte die Möglichkeit ein wenig in die Tiefe dieser Platte "The ghost of Tom Joad" hineinzutauchen. In der Tat sehr zarte und sanftmütige Klänge umhüllen die unterschiedlichen Geschichten von Personen, die wegen ihrer verschiedenen Schicksale nicht gerade an der Sonnenseite des amerikanischen Lebens stehen. Eine Platte, die nicht nur mit ihrer Musik, sondern auch von der textlichen Gestaltung berührt. Musik, die zum Abtauchen einlädt, die man wahrscheinlich nur in einem abgedunkelten Raum oder bei Kerzenlicht hören sollte.
Und wie man sieht, ist das ambivalente Auftreten des Musikers Springsteen durch die Einspielungen von "Nebraska" und "The ghost of Tom Joad" gegenüber seinem Heimatland wesentlich aussagekräftiger und überzeugender, als wenn dieses nicht der Fall gewesen wäre.

LG Kraut-Brain :e:
radiot
 
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Re: Dezember 2016 - Bruce Springsteen - The Ghost Of Tom Joad

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Gepostet: 07.12.2016 - 21:22 Uhr  ·  #12
Wenn’s gut geht, bringen Rezis uns dazu, auf Spurensuche zu gehen. Im Falle badMoons „Wiederentdeckung“ von Bruce Springsteens „The Ghost of Tom Joad“ meldete meine Gehirnwindung, ich hätte das Buch. Ich glaubte ihr, suchte und was soll ich schreiben? Sie hatte Recht!



Hier steht die alte Lizenz-Ausgabe für die Deutschekratscheplik, Erstauflage 1984. Ich werde sie mir nochmals zu Gemüte führen. Inspiriert durch badMoon, der mich aber mehr auf das Buch neugierig machte, weniger für die Musik. Denn, Springsteenologe bin ich beileibe nicht. Es ist sicher völlig ungerecht, aber ich mag Bruce nicht. Wobei er sicher nicht unbedingt der ist, für den ihn alle halten. Schon der Bezug der „wiederentdeckten“ Scheibe zu Steinbecks Roman „Früchte des Zorns“ lässt aufhorchen. Springsteen und Literatur? Ist er auch mal in der eigenen Bibliothek von der Leiter gefallen und seitdem auf‘m Trip? Sicher nicht. Aber seit „Born in the USA“ halten ihn viele wohl für den, der mit diesem Song ein Loblied auf die USA als Mitgröhlhymne anstimmte. Nun ja, der Refrain ist auch sehr leicht mitzusingen, den kann man, muss ihn aber nicht und versteht ihn doch meistens falsch.
Kurzfassung (zur Ehrenrettung Springsteens):
Ein GI kehrt aus dem Vietnamkrieg zurück und bekommt seinen Job in der Raffinerie (refinery) nicht zurück; er sieht seine Zukunft sich in Luft auflösen.
Er wurde in einem Kaff geboren ( a dead man‘s town). Trübe Aussichten dort. In seiner Heimatstadt gerät er in Schwierigkeiten (Got in a little hometown jam, so they put a rifle in my hand, sent me off to a foreign land to go and kill the yellow man). Dazu muss man wissen (in den 60er Jahren wurde im östlichen Deutschland darüber berichtet, glaubte aber keiner), dass es Usus war, Leute, die in die „Klemme“ geraten waren oder sich „Ärger“ eingehandelt hatten, dergestalt zu rekrutieren, dass es die Straffreiheit für einen Einsatz in Vietnam als Soldat gab oder der Knast wartete. Viele wählten den Ausflug nach Vietnam. Nach der Rückkehr – siehe oben. Die Arbeit ist futsch, er sieht sich als „long gone Daddy“, seine Zeit ist abgelaufen.
In der Tat ist also unschwer zu erkennen, dass der Song eben keine Lobeshymne auf die USA ist, ganz im Gegenteil.
Dass Springsteen sich für die Platte „The ghost of Tom Joad“ Steinbecks Buch als „Vorlage“ nahm, war mir absolut nicht bewusst. Man lernt eben nie aus. Und die Platte kenne ich natürlich auch nicht, kann also nicht wirklich mitreden. Nehmt es als Senf.
Allerdings – musikalisch wird mich dies auch nicht an Bruce Springsteen heranführen. Leider kann ich ihn irgendwie nicht…, aber dies ist rein musikalisch. Es gibt andere Baustellen. Mein Bestand an Springsteenmusik umfasst „Tunnel of Love“, „Greetings from Asbury Park, N.J.“, „The Rising“ und „Lucky Town“ (alles Japan CDs in schickem Cover!!!) sowie eben die besagte LP „Born In The USA“, die wollte ich einfach mal hören, was und wieso und warum ihn so viele mögen.
Aber wie ihr seht und lesen könnt, man macht sich so seine Gedanken. Also Danke für den Denkanstoß. Was wäre das Leben ohne Musik?

radiot grüßt! 8)
badMoon
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Re: Dezember 2016 - Bruce Springsteen - The Ghost Of Tom Joad

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Gepostet: 08.12.2016 - 06:13 Uhr  ·  #13
Zitat geschrieben von Leslie

eine Wiederentdeckung aus 1995 - das war doch erst vorgestern <_<

ich mag den Bruce seit seinen Anfangstagen und nicht nur weil er mein Jahrgangskamerad ist - der Boss hat eine Unmenge toller Songs fabriziert - dazu hatte oder hat er eine exzellente Mannschaft

allerdings hatte er eine Todsünde gemacht : der Song Born in the USA ist für mich unerträgliches Gebrülle - das hier vorliegende Album ist prädestiniert für die kommenden dunklen Abende - richtig schöne Musik - auch wenn Bruce teils so schön nuschelt wie mein Freund Bob Dylan - für mich ein schönes Stück Musik!


...ja, die Zeit rast nur so davon. An kleinen, alltäglichen Begebenheiten kann man dies merken. Beispielsweise dann, wann ein "alter" Song im Radio läuft. Und man das Gefühl hat, ...darauf hab' ich doch erst gestern geschwoft.

Zum Bruce: Im Gegensatz zu Dir konnte ich mit den meisten Springsteen-Alben nicht viel anfangen. Es sind fast ausschließlich seine ruhigen Songs, die ich mag. Dann aber richtig :happy:
badMoon
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Re: Dezember 2016 - Bruce Springsteen - The Ghost Of Tom Joad

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Gepostet: 08.12.2016 - 06:16 Uhr  ·  #14
@Radiot

Hups, Deine Antwort ist fast länger als meine Wiederentdeckung. Macht aber nix - eine kleine, zum Schmunzelnde Story um das Buch sowie Deine Innenansichten zum Springsteen resp. der Born-Interpretation.

8)
Moniek
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Re: Dezember 2016 - Bruce Springsteen - The Ghost Of Tom Joad

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Gepostet: 08.12.2016 - 13:42 Uhr  ·  #15
Danke - Danke - Danke

Für die superschöne und interessante Vorstellung eines alten Bekannten *The Boss*.

Du hast bei mir genau ins Schwarze getroffen, die Scheibe ist schon bestellt.

Sehr schöne, ruhige und melodische Stücke, ich freue mich schon auf die CD.

Mal nebenbei, ich bin sowieso schon lange Bruce Springsteen Fan. :D


Liebe Grüße von MOni
Mr. Upduff
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Re: Dezember 2016 - Bruce Springsteen - The Ghost Of Tom Joad

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Gepostet: 08.12.2016 - 15:15 Uhr  ·  #16
...auch mit diesem toll rezensierten (zugegebenermaßen für mich etwas unspringsteenischem) Album zieht mich der Einigen-Boss nicht über den Hörtresen...

...mit der "Raufasertapete" der Workingclassbesinger und seiner hillaryclintonschen Ich-winke-Dir-zu-weil-ich-Dich-und-Euch-und-Alle-hier-vorgebe zu-kennen-Holzfällerkumpelattitüde konnte ich mich noch nie anfreunden...da hilft auch diese Prise Bobdylangenöle und die astationrockruhigen Töne nix (oder eher gar nichts)...

ABER: Unsere Wiederenteckt-Ecke ist einfach klasse...allein, daß hier AUSGIEBIG Platz ist über nur EIN Album zu sprechen...
Maddrax
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Re: Dezember 2016 - Bruce Springsteen - The Ghost Of Tom Joad

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Gepostet: 08.12.2016 - 15:28 Uhr  ·  #17
zuerts einmal:
Die Rezension ist toll geschrieben.
Danke dafür !!


Aber Mr. Upduff spricht mir hier sowas von aus der Seele.
Und dabei war ich in den 1980gern sogar mal kurzzeitig Fan des Herrn Springsteen (Boaaaan in The USA - Zeit !!!) und war sogar 1985 auf'm Konzert im Frankfureter Waldstadion.

War aber nur kurzzeitig und schon lange denek ich so wie hier:
Zitat geschrieben von Mr. Upduff

...mit der "Raufasertapete" der Workingclassbesinger und seiner hillaryclintonschen Ich-winke-Dir-zu-weil-ich-Dich-und-Euch-und-Alle-hier-vorgebe zu-kennen-Holzfällerkumpelattitüde konnte ich mich noch nie anfreunden...

schade eigentlich, weil der Herr M. Mann hat viele gute Dinge aus den Springsteenschen Songs rausgeholt ...
sunny
 
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Re: Dezember 2016 - Bruce Springsteen - The Ghost Of Tom Joad

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Gepostet: 21.12.2016 - 11:16 Uhr  ·  #18
ups jetzt erst gelesen.
Ich gehöre nicht zu den typischen Fanlagers des Bruce Springsteen, doch das Album
"The Ghost Of Tom Joad" insbesondere der Titelsong hat mich weggehauen.
Das Album schlummerte schon eine Weile, ja fast ungehört in meinem Archiv.

Den Anstoß es wieder zu hören gab mir die Cover-Version von
Elvis Costello and Mumford & Sons
https://www.youtube.com/watch?v=-Idt8wqSSeE

die Version mit Bruce Springsteen w.Tom Morello ist ebenfalls genial gesungen und gespielt.
https://www.youtube.com/watch?v=n-mq0uJ7rlM

Das Album selbst hat nichts mit den sagen wir mal, typischen Alben eines Bruce Springsteen zu tun.
Einfach abtauchen und genießen.

@badmoon
vielen Dank für die klasse Rezi
und das sollte auch mal gesagt sein,
es gibt öfter ein Album das sich vom Eikettenschwindel befreit.

Hier ist eines davon! :happy:
badMoon
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Re: Dezember 2016 - Bruce Springsteen - The Ghost Of Tom Joad

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Gepostet: 04.01.2017 - 06:00 Uhr  ·  #19
Besten Dank für's Lesen und das hinterlassene Feedback. Ich freue mich, dass einige in der Manege einen anderen Springsteen entdecken konnten.

Artistische Grüße,
-bM-
holger_fischer
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Re: Dezember 2016 - Bruce Springsteen - The Ghost Of Tom Joad

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Gepostet: 07.01.2017 - 17:37 Uhr  ·  #20
Mittlerweile kann ich auch bei diesem Album mitreden. Ein edler Gönner und Fan von B.S. hat mir die CD als eingeschweißte Neuware geschenkt.
An dieser Stelle noch einmal einen herzlichen Dank!

Ich habe die CD auf meiner ätzenden Autofahrt zur Arbeit gehört. Da passte sie hervorragend! Die ruhige, nachdenklich Atmosphäre ließ die Autofahrt in den Hintergrund treten und recht kurzweilig werden. Ich konnte auch einen für mich wirklichen Top-Song entdecken: Youngstown. So mag ich den Springsteen.

Allerdings ist es sicherlich kein Album für jede Gelegenheit. Dafür nimmt B.S. sich zu sehr zurück. Etwas dynamischer darf es für mich schon sein. Insgesamt finde ich das Album wirklich hörenswert, was seine anderen (mir bekannten) Alben ja nicht besser macht. Immerhin hat die Platte bewirkt, dass ich den mir unbekannten Alben mehr Beachtung zukommen lassen werde. Das Born in the USA - Gegröle fand (und finde) ich ziemlich entsetzlich (ungeachtet des wohl durchaus kritischen Textes), aber der "Boss" kann offensichtlich auch anders.
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Re: Dezember 2016 - Bruce Springsteen - The Ghost Of Tom Joad

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Gepostet: 08.01.2017 - 13:18 Uhr  ·  #21
ob nun laut oder leise...mir gefällt Bruce so oder so. Live ist er übrigens eine Wucht! Die 3er CD Live 1975-85 legt nur ein kleines Zeugnis dafür ab.

Vielen Dank für die Rezi.
Mir gefällt allerdings die Nebraska besser. Hängt wohl aber damit zusammen, dass ich in den 80ern Springsteen für mich entdeckt habe. Anlass dazu war übrigens das von vielen bemängelte Born in the U.S.A.
Das restliche Album sollte dann aber gefallen, wenn es denn gehört wurde.
https://youtu.be/XPNl1Dn_u0U?t=274
badMoon
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Re: Dezember 2016 - Bruce Springsteen - The Ghost Of Tom Joad

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Gepostet: 13.02.2018 - 12:30 Uhr  ·  #22
Interessant, ...wenn man(n) mal planlos durch das Forum oder alte "Wiederentdeckt"-Scheiben stöbert, lassen sich oft Antworten finden, auf die nicht reagiert wurde. So also - ein reichlich verspätetes Feedback.

"Live ist er übrigens eine Wucht!", dies sagte mir ein mittlerweile in anderer Behörde tätiger Kollege auch des Öfteren. Immer mit dem Hintergedanken, mich für einen Konzertbesuch zu begeistern. Damals hat es nicht geklappt - heute tut es mir leid. Ich denke, den liveüberragenden Springsteen sollte man wirklich mal gesehen haben.

ByTheWay, ..."Nebraska" lasse ich mir gerade durch die Mobildisco vorspielen. Gut, aber - in meinen Augen nicht besser als Joad. Fein, dass Geschmäcker verschieden und nicht diskutabel sind.

Danke für Deine Antwort. Wenn auch verspätet o)
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Re: Dezember 2016 - Bruce Springsteen - The Ghost Of Tom Joad

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Gepostet: 13.02.2018 - 16:41 Uhr  ·  #23
Zitat geschrieben von badMoon

Fein, dass Geschmäcker verschieden und nicht diskutabel sind.


genauso ist es - es ist subjektives Empfinden des Einzelnen ob etwas gefällt oder nicht - ich muß hinzufügen dass es mir persönlich völlig wurscht ist ob einem der Boss nun gefällt oder nicht <_<

anders war es damals vor vielen Jahren als eine Reihe Bubis solche Sprüche losgelassen hat wie : U2 ist Scheiße - das war nicht subjektiv sondern einfach nur saudumm !

nebenbei bemerkt ist U2 eine der erfolgreichsten Band der letzten 30 Jahre...
Mr. Upduff
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Re: Dezember 2016 - Bruce Springsteen - The Ghost Of Tom Joad

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Gepostet: 24.07.2018 - 10:17 Uhr  ·  #24
...ich bin absolut kein Fan vom sogenannten Boss...aber was er hier abliefert ist allerallererste Sahne...und die Gitarrensolos sind einfach zum dahinknien: https://www.youtube.com/watch?v=n-mq0uJ7rlM
badMoon
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Re: Dezember 2016 - Bruce Springsteen - The Ghost Of Tom Joad

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Gepostet: 24.07.2018 - 10:56 Uhr  ·  #25
Zitat geschrieben von Mr. Upduff

...ich bin absolut kein Fan vom sogenannten Boss...aber was er hier abliefert ist allerallererste Sahne...und die Gitarrensolos sind einfach zum dahinknien: https://www.youtube.com/watch?v=n-mq0uJ7rlM


Mr. Upduff,

ich freue mich, dass Du diesen Thread noch einmal aus seinem Kellerloch befreit hast. Und byTheWay erinnert mich dass daran, dass ...ich glaube, mit dem von Dir verlinkten Song einmal einen Songcontest gewonnen zu haben. Und habe die Sieger-CD beim Contestmassa noch nicht abgerufen.

Gibt es Verjährungsfristen???

:konfus:
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