Eddie Hinton

Man der 1000 Schreie

 
womus-205
 
Avatar
 
Betreff:

Eddie Hinton

 · 
Gepostet: 23.07.2008 - 10:18 Uhr  ·  #1
In an paar Tagen wird es 13 Jahre als er starb. Eddie Hinton. Am 28.07.1995.

Hier ist sein Nachruf.
Nicht von mir geschrieben, ihr wisst warum. Erstens: mein Deutsch ist nicht so gut, dass ich so einen üppigen Artikel ohne Hilfe meines Sohnes selbst verfassen kann (Junior hat Ferien). Zweitens: Meine Spezialität ist Recherche und Fakten zusammenfassen. Und obwohl ich mich bemühe, kann ich nicht immer die passenden Worte, welche die Musik beschreiben, finden. So wie meine Vorbilder auf unserem Forum es machen : hmc, maranx, firebyrd und andere Rezi-Artisten.

Gott sei dank! Ich fand auf der Seite des Karl Bruckmaier: www.le-musterkoffer.de (übrigens seine SZ-Musikfellietons fand ich früher und finde ich bis heute als eine der besten im deutschsprachigen Raum) ein Artikel über Eddie Hinton, der im März 1996 geschrieben wurde. Ich fragte Herrn Bruckmaier um Erlaubnis diesen Text bei uns zu veröffentlichen. Diese wurde mir in eine sehr netten und freundlichen Weise erteilt.

Ich habe es nur mit Bildern versorgt und Hintons Discographie aktualisiert, plus ein paar aktuelle Bemerkungen gemacht.


Edward Craig Hinton (geb. 15. Juni 1944 in Tuscaloosa, Alabama, starb 28. Juli 1995 in Birmingham, Alabama)



Du hast mit ziemlicher Sicherheit eine Platte zu Hause, auf der er Gitarre spielt. Und mit ziemlicher Sicherheit hast du seinen Namen trotzdem noch nie gehört: Eddie Hinton.
Manchmal genügt sich Mühe geben alleine doch nicht: Um mehr über Eddie Hinton herauszufinden, als hier zu lesen ist, hätte es schon eines kleinen Wunders bedurft. Zu peripher scheint die Leistung dieses Mannes von Popgeschichtsschreibern und Enzyklopädisten eingeschätzt worden zu sein, zu unzugänglich und zu schwierig und zu krank war der Man himself, glaubt man einem Kollegen und Hinton-Fan wie Robert Gordon, der einige Zeit auf einem verdreckten Motel-Bett neben Hinton gesessen ist, wie gelähmt, scheint es, von dem verwirrten und verwirrenden Zustand dieses Musikers, für dessen viertes Album VERY BLUE HIGHWAY er die liner notes schreiben sollte.
Nein, niemand weiß viel zu sagen über Eddie Hinton, höchstens, daß er allein war, krank, ein Genie, zu Zeiten ein Wilder. Und ich möchte hinzufügen: auf mindestens einer seiner Platten der fleischgeworden perfekte Rhythmusgitarrengott auf sechs Saiten. Andere nennen ihn noch "den weißen Otis Redding", den "Mann der 1000 Schreie", den "letzten der weißen Soul-Sänger" oder den "Mystery Man".



Eddie Hinton wurde am 15. Juni 1944 in Tuscaloosa, Arizona, geboren. Anfang der sechziger Jahre finden wir ihn zusammen mit Duane Allman in einer Band namens The 5 Men-Its. (leider gibt es keine Quellen die es bestätigen, dafür findet man in der Besatzung viele Musiker aus dem Umkreis von Allman Joys und Hourglass *womus)
Geld verdient wird allerdings im Studio: Hinton und Allman bildeten zusammen mit Jimmy Johnson, Roger Hawkins und Tommy Cogbill die Studio-Crew des Fame-Studios in Muscle Shoals, Alabama. Man veredelte dort die Aufnahmen von Arthur Alexander, Joe Tex, Wilson Pickett, Aretha Franklin, Etta James oder Irma Thomas, bis sich gegen Ende der sechziger Jahre Duane Allman zu den Allman Brothers verabschiedete und Eddie als Leadsänger mitnehmen wollte. Doch Eddie Hinton zog die vermeintliche Sicherheit der Studioarbeit vor und wechselte mit den verbleibenden Fame-Leuten zum Muscle Shoals Sound Studio, wo die Legende vom multirassischen Supersoul weitergepflegt wurde. In den heute noch mit Ehrfurcht genannten Muscle Shoals Sound Studios suchten und fanden Menschen den perfekten Soul-Teppich, mit dem die eigene Karriere wieder aufgemöbelt werden sollte, Leute wie Cher, Elvis Presley, Ronnie Hawkins, Boz Scaggs oder Dusty Springfield, bis hin zu Menschen, die Soul ohnehin drauf hatten wie Solomon Burke, die Staples Singers, Wilson Pickett oder Otis Rush. Einige der zurecht legendären Sessionmusiker halfen Eddie Hinton auch auf seinen ersten beiden Solo-LPs, deren erste, VERY EXTREMELY DANGEROUS allerdings erst 1978 erschien, gefolgt von der 86er LETTERS FROM MISSISSIPPI.
Mit dem Verschwinden der ursprünglichen Soul-Musik aus den Hitparaden der siebziger Jahre beginnt wohl auch Eddie Hintons Verfall, obwohl man annehmen darf, daß er ganz gut von Tantiemen leben konnte, da erfolgreiche Artists wie Dusty Springfield, Bobby Womack, Percy Sledge oder die Box Tops seine Songs aufgenommen und zu Millionensellern gemacht haben. Oder völlig falsch: schließlich lebte er eine Weile in einem Obdachlosenasyl in Decatur, Alabama. Danach reparierte er Wohnwägen.



Oder er war mit Toots Hibbert im Studio, spielte für Ry Cooder den Soundtrack zu Walter Hills SOUTHERN COMFORT ein. Eine Achterbahnfahrt vermutlich, dieses Leben.
So richtig dick kam es finanziell wohl, als ausgerechnet UB 40 mit dem Hinton-Song BREAKFAST IN BED einen Riesenhit zu Beginn der neunziger Jahre hatten. Musikalisch kam dies für Eddie Hinton jedoch zwanzig Jahre zu spät: seine letzten Aufnahmen, veröffentlicht 1993 unter dem Titel VERY BLUE HIGHWAY, verraten zwar das gepflegte Handwerk, aber auch den stilistischen Verfall, der sich am deutlichsten zeigt, weil Hinton die Lakonie und den eher weißen, swampy Groove der früheren Solo-Aufnahmen wie verzweifelt einem möglichst originalen Otis-Redding-Sound opferte.
Auch der Stimmumfang, der im Dröhnen eines vollgasfahrenden Dodge Van geschulte Schrei, hatte dem Tribut zollen müssen, worüber Hinton und die wenigen Schreiber über Hinton sich ausschweigen, jene Katastrophen im Leben des Gitarristen also, die der ungenannte liner notes Autor von LETTERS FROM MISSISSIPPI dunkel "die Schlachten mit verschiedenen Dämonen im Privatleben" nennt. (diese Worte schrieb der schwedische Musikjournalist und Produzent Kalle Oldby * womus)
Aber allein ein Blick auf die Cover-Bilder genügt: Sehen wir 1985 einen schlanken, coolen Südstaaten-Jungen Gitarre spielen, blickt uns nur wenige Jahre später ein fetter Elvis an, der nur noch die Kotelettenform mit jenem anderen Eddie Hinton gemein hat. Das akustische Äquivalent zu diesen Fotos ist der Song STANDIN' IN von Joe South, eine der wenigen Cover-Versionen, die Hinton je aufgenommen hat. Wer je einen kaputteren Song gehört hat, soll sich bei mir melden...



Auf insgesamt vier Alben brachte es Eddie Hinton; das erste von 1978 scheint noch immer in den Archiven von Capricorn zu lagern ( es gibt eine remasterte CD Issue auf Capricorn Rec. für Preis ab 30 $ nach oben *womus) , das hervorragende zweite, die LETTERS FROM MISSISSIPPI, vertreibt in Deutschland der Inakustik-Vertrieb, nachdem es ursprünglich bei Line erschienen war, die beiden letzten und schwächeren hat der Zensor im Programm.
Bis zu seinem Tod am 28. Juli 1995 lebte Eddie Hinton in Birmingham, Alabama, und schrieb an zwei Romanen, die sich seinen Inhaltsangaben nach wie wirre Science fiction anhören. Erinnern werden sich die Menschen aber an diese Gitarre, auch wenn sie nie wußten, wie der Typ hieß, der sie spielte.

Inzwischen sind drei Anthologien erschienen die das Studio-Werk von Eddie Hinton dokumentieren. Ich bin in Besitz von „Playin’ Around“ und kann nur sagen: ein Leckerbissen! Eine australische Zusammenstellung „ A Mighty Field of Vision“ und „Bandcestors“ Aufnahmen aus 5 Men-Ist Zeiten wurden 2005 hearusgebracht. * womus.
Es gibt auch eine DVD genannt : EDDIE HINTON starring in JOHN WYKER's Home Video Vol 1, die von John D. Wyker aka Sailcat (auf dem letzten Photo rechts neben Eddie Hinton ) gedreht wurde.
Und „last but i hope not least“ 2007 wurde eine Dokumentation gedreht unter dem Titel:„ Dangerous Higway“
(http://www.swampland.com/articles/view/manner/497) ... The movie is narrated by musician Robert Cray, an avid Eddie Hinton fan and a player cut from the same musical mold. The cast of most-interesting talking heads includes producer Jerry Wexler, Muscle Shoals bandmated Jimmie Johnson and David Hood, keyboardist Chuck Leavell, bluesman Jimmy Thackery, the Drive-By Truckers’ Patterson Hood, and songwriters Donnie Fritts and Bill Blackburn…..

Ich hoffe das wir auch diesen Film eines Tages sehen werden.

Wir dürfen nicht zulassen dass seine Musik vergessen wird. *womus



http://home.online.no/~rblomqui/Hinton.wmv

Diskografie

* 1978 Very Extremely Dangerous (Capricorn)
* 1987 Letters from Mississippi (Line)
* 1991 Cry & Moan (Bullseye Blues)
* 1993 Very Blue Highway (Bullseye Blues)
* 1995 Lost and Found (Breathe Easy Music) – Coleman-Hinton Project
* 1999 Hard Luck Guy (Capricorn)
* 2000 Dear Y’All The Songwriting Sessions (Zane)
* 2004 Playin’ Around The Songwriting Sessions, Vol. 2 (Zane)
* 2005 Beautiful Dream The Songwriting Sessions, Vol. 3 (Zane)
* 2005 A Mighty Field Of Vision - The Anthology 1969 – 1993 (Raven Records)
* 2005 Bandcestors - Eddie Hinton & The 5 Men-its (Fred Styles Rec.)

Interessante Links:

http://bluescritic.com/eddiehinton.htm
http://www.myspace.com/eddiehintonzane
http://www.geocities.jp/hideki_wtnb/eddiecontents.html


Link zu Popalphabet von Karl Bruckmaier:
http://www.le-musterkoffer.de/alpha/uebersicht.html

womus
firebyrd
Labelboss
Avatar
Geschlecht: keine Angabe
Herkunft: Hausgeburt (Ausgeburt?)
Beiträge: 36963
Dabei seit: 05 / 2006
Betreff:

Re: Eddie Hinton

 · 
Gepostet: 23.07.2008 - 10:27 Uhr  ·  #2
Danke für diese feine Vorstellung eines großartigen Musikers, der fast immer im Hintergrund agierte.

Muscle Shoals - Sound und Hinton, daß passte ganz einfach!

Aber auch seine Solo-Scheiben sind sehr stark!

Diese stehen bei mir:

* 1978 Very Extremely Dangerous (Capricorn)
* 1987 Letters from Mississippi (Line)
* 1991 Cry & Moan (Bullseye Blues)
freaksound
Toningenieur
Avatar
Geschlecht:
Herkunft: Oberbayern
Alter: 59
Beiträge: 5098
Dabei seit: 05 / 2006
Betreff:

Re: Eddie Hinton

 · 
Gepostet: 23.07.2008 - 13:40 Uhr  ·  #3
das klingt ja wieder nach einem sehr interessanten Musiker - Danke Womus !

Die Kolumnen vom Bruckmaier mag ich auch gerne.
Der Bruckmaier hat übrigens mit Sparifankal auch selbst Musik gemacht .
Die "Bayern-Rock" ist eine schön/schräge Scheibe
hmc
Produzent
Avatar
Geschlecht:
Herkunft: NRW
Alter: 67
Homepage: tt-bruchhausen.de
Beiträge: 15724
Dabei seit: 04 / 2006
Betreff:

Re: Eddie Hinton

 · 
Gepostet: 23.07.2008 - 19:06 Uhr  ·  #4
Oh jeh, leider muss ich mich als Unwissender outen. Den Mann kenne ich überhaupt nicht.

Toll verfasst und macht neugierig auf den Herren Musiker.
badger
DJ
Avatar
Geschlecht:
Herkunft: sankt augustin
Alter: 69
Beiträge: 4510
Dabei seit: 08 / 2008
Betreff:

Re: Eddie Hinton

 · 
Gepostet: 11.08.2008 - 22:36 Uhr  ·  #5
eine ganz tolle vorstellung des für mich besten weißen soulsängers;
er schrieb die besten stücke; die gingen mir so unter die haut, daß beim
hören immer ein taschentuch dabei war.

ich bin erst 1991 mit der Cry And Moan zu Eddie gekommen; es gab damals eine hervorragende bluessendung Blues At Midnight und da wurde Eddie mehrfach angepriesen.
mir läuft heute noch ein schauer den rücken runter, wenn ich ans erste hören von Come On Home Baby Lee denke.
aber er konnte auch richtig abgehende mucke machen, so nach art einer
richtig protzigen southern soul revue, da störten selbst hörner nicht.

die Very Extremely Dangerous; Hard Luck Guy und Very Blue Highway
kamen schnell hinzu und von den Zane sessions habe ich mir bisher die
teile 2 + 3 geleistet und ausfälle gibt es nicht zu vermelden.
badMoon
Produzent
Avatar
Geschlecht:
Herkunft: Nettetal / Niederrhein
Beiträge: 21066
Dabei seit: 06 / 2008
Betreff:

Re: Eddie Hinton

 · 
Gepostet: 15.08.2017 - 07:42 Uhr  ·  #6
Unser mittlerweile leider verschollene Womus hat dem Forum in 2008 einen sehr interessanten Beitrag über Eddie Hinton hinterlassen. Angesichts dessen, dass sich hier doch noch ein paar Blueser herumtreiben - enjoy it, wie man in Halberstadt sagt.
Leslie
Labelboss
Avatar
Geschlecht: keine Angabe
Herkunft: in der Mitte zwischen Kölnarena und Festhalle Ffm
Beiträge: 41070
Dabei seit: 07 / 2008
Betreff:

Re: Eddie Hinton

 · 
Gepostet: 15.08.2017 - 09:22 Uhr  ·  #7
den Namen Eddie Hinton werden die wenigsten kennen - aber bei vielen bekannten Soul Titeln war er dabei - aber er selber blieb unbekannt

Eddie war auch bei der legendären Muscle Shoals Rhythm Section und auf vielen Soul Titeln spielte er die Leadgitarre - aber Solo hatte er wohl gar keinen Erfolg...

der Eddie taucht übrigens auch in der Sitzecke bei "Sweet Soul Music" auf...

beim Song hier unten könnte man meinen Otis Redding wäre an den Vocals oder Percy Sledge mit Take Time To Know Her .... Take Time to know her war damals prädestiniert für den Stehblues - ich war so 18 oder 19..

Eddie Hinton - Hard Luck Guy
sunny
 
Avatar
 
Betreff:

Re: Eddie Hinton

 · 
Gepostet: 22.08.2017 - 09:04 Uhr  ·  #8
danke für die Vorstellung, Eddie Hinton kenne ich nicht.
Mal guggä...
Gewählte Zitate für Mehrfachzitierung:   0

Registrierte in diesem Topic

Aktuell kein registrierter in diesem Bereich

Die Statistik zeigt, wer in den letzten 5 Minuten online war. Erneuerung alle 90 Sekunden.