Sophie Zelmani - I'm The Rain

gehauchte Stimmung

 
firebyrd
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Sophie Zelmani - I'm The Rain

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Gepostet: 23.03.2010 - 19:07 Uhr  ·  #1
Sophie Zelmani - I'm The Rain

Wie beginne ich nur?
Ja, man muss sie mögen, solche Stimmen, oder man muss sich darauf einlassen, wenn es nicht spontan zusagt, denn Sophie Zelmani verbreitet eine ganz eigene Stimmung, die manche ganz einfach für gähnend langweilig halten.
Vielleicht ist es auch stimmungsabhängig, ob man sich eher ab- oder zuwendet.

Die Kompilation "Decade Of Dreams 1995 - 2005" bietet für alle, die sich erst einmal einen Überblick oder einen generellen Höreindruck verschaffen wollen, eine gute Möglichkeit.
Nicht nur, dass die Musik sehr gelassen und schleppend daherkommt, Sophie haucht ihre Beiträge oft mehr denn sie singt.
Gelegentlich hat man den Eindruck, sie stünde genau neben einem und könnte einem gleich auf die Schulter klopfen.

Zelmani - fast schon ein neues Wort für den Begriff 'Zerbrechlichkeit' in der Sparte Gesang.

In der Musik dieser Platte schwingt etwas mit, das man schwer beschreiben kann: Ist es Verzweiflung, ist es Trauer, ist es Melancholie, ist es Verlassenheit oder Verlorenheit? Als würde die Sängerin ein erlittenes Leid verarbeiten wollen - fröhliche Momente vermisse ich hier, man sollte, um der Melancholie nicht anheim zu fallen, versuchen, die Musik losgelöst von möglicherweise irritierenden Aspekten, die aus oben genannten Umständen entstehen könnten, zu betrachten und zu beurteilen.

Perkussive akustische Gitarre, perlendes Piano, mit dem Besen vorantreibendes Schlagzeug, das hört sich fast an, als könnte nun ein Stück von Amy Macdonald beginnen, doch die dann einsetzende zarte Stimme bringt uns wieder auf den Boden der Tatsachen, sprich zur aktuellen Platte von Sophie Zelmani zurück.

Ohne dass eigentlich großartig etwas geschehen ist, blendet der Titel nach Minuten aus, nicht sehr beeindruckend, dabei begann es gar nicht einmal so schlecht. Doch mir fehlt hier etwas, vielleicht bringt es "The Years", der nächste Titel?
Im Grunde genommen wieder die gleiche Stimmung, nur werden die schönen Harmonien auch mal variiert, doch, das versöhnt mich dann auch. Es herrscht eine sonderbare Atmosphäre, wenn gehauchter Gesang mit Vibrafon zusammentrifft. Aber - verdammt kurz, der Titel, noch nicht einmal drei Minuten.

Auf "Ready" herrscht dann 'Tumult', wenn sich plötzlich mitten im Song eine emotionale Steigerung einstellt. Eine Violine hebt an, und schon bald geht es, wieder ruhig, dem ausgeblendeten Ende entgegen. An dieser Stelle die Anmerkung, dass ich ausgeblendete Titel nicht gern mag, vor allem dann, wenn sie ohnehin schon so kurz sind (nun gut, "Ready" ist immerhin 3:42 lang).

Was auch hier Aufmerksamkeit erregt, ist sparsames, aber effektives Arrangement, eine besondere Art von 'Schönheit in der Düsternis', bei "Ready" kann man schnell von der Dramatik, die für mich von diesem Song ausgeht, mitgerissen werden. "Ready" - bereit, wofür?

»I'm ready to head off with you, who knows how long our love will last«, also - noch schnell alles mitnehmen, was geht?

Mein Top-Favorit des Albums, da passt für mich alles zusammen, auch der Gesang, also klarer Gänsehautfaktor!

Leider bietet die Platte einiges, was sich nahe am Rande der Langeweile bewegen kann, es sei denn, man ist gerade in der entsprechenden Stimmung.
Darüber hinaus bietet Zelmani keinen besonders großen Stimmunfang, so dass sich der Effekt und der Ausdruck auch schnell totlaufen können, es sei denn, man bringt musikalisch Abwechslung in das Geschehen. Auf "Not With You" klingt die Sängerin irgendwie verzweifelt, der Gitarrist hört sich hier an wie Peter Green im zweiten, akustischen Teil von "Oh Well". So ähnlich sehe ich auch hier die Atmosphäre, eine solche, die viel Anlass bietet, zu polarisieren.

Nein, ich finde diese Musik nicht schlecht, ich halte sie nur für sehr emotionsgeladen, sie klingt sehr introvertiert, als hätte die Künstlerin sie allein für sich, zur persönlichen Verarbeitung von Eindrücken, geschaffen.
Insofern, ich erwähnte es schon, kann sich die jeweilige Schar der Befürworter und Ablehner schnell bilden.

Ja, diese Stimme ist, vom Aspekt des Gesanges gesehen, nicht sehr vielseitig, sie ist dünn, aber sie ist auf ihre Weise doch ausdrucksstark. Wie ich im Booklet las, verarbeitet Zelmani hier tatsächlich den Tod, und zwar jenen des langjährigen Tontechnikers Pontus Olsson.

Hat sie ihm den letzten Song gewidmet? ("Song Of The Night"): »This must be my last song for you, nobody knows that you are in my mind, you know that you are always here, I've spoken many times with you, I've got to fade out, you are the song of the night«.

Musikalisch sind es hinsichtlich der für mich starken Introvertiertheit die Zwischentöne, die die Musik eben nicht marktschreierisch vordergründig machen, sondern Aufmerksamkeit fordern, sie sind für mich wie eine stille Bildbetrachtung in einem Museum, ich kann entweder etwas entdecken und deuten im Bild, oder ich sehe nichts. Fakt ist eine fast durchgehende Lethargie, von einer besonderen Schönheit geprägt.

Von Beginn ihrer Aufnahmetätigkeit für Sony arbeitet sie bei den Produktionen mit dem Multiinstrumentalisten Lars Halapi zusammen, eine Kooperation, die sich anscheinend bewährt und gefestigt hat. Ich denke, dieser Musiker ist ganz entscheidend mitverantwortlich für den Sound, insofern ein Duo, Sophie & Lars, das wäre für mich passend. Seit dem ersten Album aus 1995, sind sie ein musikalisches Paar, produziert hat er auch wieder.

Fazit: Jede(r) sollte selbst entscheiden, in diesen Kosmos der Melancholie, die aber Hoffnung nicht ausschließt, einzutauchen.

Bei der Sängerin handelt es sich übrigens um eine Schwedin, erklärt sich dadurch vielleicht die stimmungsmäßige Ausprägung?

Wie auch immer, ein irgendwie ungewöhnlicher Höreindruck.

Musiker:

Sophie Zelmani (vocals, guitar)
Lars Halapi (guitars, maracas, glockenspiel, lap steel, vibraphone, bass, percussion, drums, tambourine)
Thomas Axelsson (bass)
Richard Nilsson (piano)
Peter Korhonen (drums)
Tomas Ebrelius (violin)

Titel:

01:If I Could (3:01)
02:The Years (2:55)
03:You Can Always Long For May (2:52)
04:Ready (3:42)
05:Interior Design (4:48)
06:Not With You (4:02)
07:I'm The Rain (3:56)
08:Our Man (3:13)
09:It Knows (3:32)
10:To Be Forgiven (2:44)
11:Song Of The Night (4:05)

website:


http://www.sophie-zelmani.com/

Wolfgang
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Re: Sophie Zelmani - I'm The Rain

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Gepostet: 24.03.2010 - 07:25 Uhr  ·  #2
Zitat
Musikalisch sind es hinsichtlich der für mich starken Introvertiertheit die Zwischentöne, die die Musik eben nicht marktschreierisch vordergründig machen, sondern Aufmerksamkeit fordern, sie sind für mich wie eine stille Bildbetrachtung in einem Museum, ich kann entweder etwas entdecken und deuten im Bild, oder ich sehe nichts. Fakt ist eine fast durchgehende Lethargie, von einer besonderen Schönheit geprägt.



Nun, es fällt mir momentan schwer überall am Ball zu bleiben, aber das ein oder andere Ohr werde ich riskieren. Ich möchte aber noch erwähnen, dass diese Rezi sehr stark verfaßt ist, Respekt. Normalerweise legst Du uns die jeweilige Musik so in unsere Herzen, dass wir um einen Kauf nicht herum kommen.
Stattmeister
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Re: Sophie Zelmani - I'm The Rain

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Gepostet: 24.03.2010 - 10:50 Uhr  ·  #3
Schöne Rezi. Bringt es meines Erachtens genau auf den Punkt. So empfinde ich ihre Musik auch. Allerdings besitze ich nur ihr selbstbetiteltes Debüt von 1995 .

Weitere Alben habe ich mir dann nach kurzem Anhören nicht mehr gegönnt, da sie sich alle sehr stark ähnelten.
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