Roland Heinrich - Warten auf den Zug

gejodelt wird nicht nur in Bayern

 
firebyrd
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Roland Heinrich - Warten auf den Zug

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Gepostet: 10.06.2010 - 08:11 Uhr  ·  #1
Roland Heinrich - Warten auf den Zug


»Roland Heinrich ist einer der führenden Songwriter und Musiker in der deutschen Roots-Americana-Szene«".

So steht es auf der Rückseite der Hülle, dieser mit zehn Titeln bestückten CD.
Jimmie Rodgers, 'the singing brakeman', scheint beim Cover Pate gestanden zu haben.
"Waiting For A Train", so der Titel eines Buches von Mary Davis und Warren Zanes über den Countrystar Rodgers, der auch einen gleichnamigen Song aufnahm, hier von Heinrich kurzerhand umbenannt in "Warten auf den Zug". Und auf einem dieser Züge sitzt Heinrich dann auch als Bremser auf der Lok.

Vom Arrangement her, erinnert mich das erste Stück an eine Mischung von Country, Tex-Mex und "It's Now Or Never" von Elvis Presley.
Und der Gesang, der klingt, als bekäme Roland Heinrich die Zähne nicht auseinander; etwa so wie Jan Delay. Ja, was soll man davon nun halten?

Dann noch solche Textzeilen wie »In allem, was ich tu', bin ich der Beste«, man könnte glauben, einer Persiflage aufgesessen zu sein.
Doch der Musiker scheint es ernst zu meinen.
Das bemerkt man spätestens bei "Es ist nicht gut". Im flotten Sound à la Bakersfield erzählt Heinrich eine kleine Geschichte über eine Beziehung (»Es ist nicht gut, dass wir uns lieben, es ist nicht gut, dass wir uns sehn, es ist nicht gut, im Traum zu leben und mit Bedauern aufzustehn …, doch es ist gut, mit Dir allein zu sein«).

Doch dann wird gejodelt - ich war immer ein Freund der Musik von Jimmie Rodgers und dessen Jodelkünsten, doch wenn ich "Treib mir die Trübsal aus", mit Tuba und singender Säge höre, bekomme ich schon wieder Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Unternehmens.
Dramatisch, wenn Heinrich in der Kneipe »in sein Bier heult« und »noch ein paar Nüsse isst«, aber textlich ist das für mich zu trennen, denn die Lyrics sind wirklich witzig und gut beobachtet. Gerade hinsichtlich dessen, wie man sich in bestimmten Situationen fühlen kann.

Ähnlich dem Mariachi-Trompeten-Arrangement auf "Ring Of Fire" von Johnny Cash ist Roland in dieser Art von Musik unterwegs - »noch 400 Kilometer bis nach Essen«.
Das hat schon etwas Kultiges, wenn der Sänger seine Stimme nicht so knödelig und verkniffen einsetzt wie auf anderen Stücken, wie etwa auf "Für alles was mal war", das schon wieder wie eine Persiflage auf altes Liedgut aus den Zwanzigern klingt. Sorry, so kann ich keinen Zugang finden, und ich muss sagen, ich mag Country-Musik sehr, doch hier kann ich eher lachen, wenn gejodelt wird.

Nun denn, so erfüllt die Musik auch auf diese Weise ihren Zweck, denn als lustig empfinde ich es allemal. Nach diesem moritatähnlichen Klagegesang dann der Titelsong, "Warten auf den Zug". "Waitin' On A Train" von Rodgers stand hier selbstverständlich Pate.
Der Country-Twang will Heinrich leider nicht so ganz gelingen, der Jodler kommt recht authentisch und überhaupt halte ich diesen Song insgesamt doch für gelungen. Er rettet die Platte insofern noch für mich (»Yo-De-Lay-Heeeee«).

Die Texte sind meiner Ansicht nach gut 'aus dem Leben gegriffen', der 'Blues des kleinen Mannes' tritt offen zu Tage, meine Kritikpunkte richten sich eher auf den Gesang, der mir nicht überzeugend dargeboten wird, mit einigen Ausnahmen, und die Arrangements sind auch nicht immer einwandfrei, auch hier Ausnahmen.
Zu den bereits genannten halte ich "Betrübter Jodler #6" für ein sehr gelungenes Stück, auch vom Gesang, der bluesigen Stimmung und der Ausführung her, ein Pluspunkt der Platte!

"Ich lauf mir 'nen Wolf" ist für mich dann auch etwas für die 'Habenseite', mit gut beobachteter Situationskomik hinsichtlich kleiner Probleme in einer Partnerschaft, mit Humor und in swingendem Western Swing- Ambiente.

Überhaupt sind die Texte grundsätzlich mit viel Humor und Augenzwinkern vorgetragen, ungewöhnlich ist das allemal, was Heinrich hier bringt, doch man muss schon einen Draht dazu haben - eingefleischten Country-Fans könnte das nicht gerade einfach fallen.

Ich meine, der Künstler sollte unbeachtet aller Strömungen und Vorbilder seinen eigenen Weg suchen und finden und dürfte dann eine Besonderheit in der deutschen Musiklandschaft darstellen.

Die Titel:


01:Vorsätzlich (Heinrich) 4:07
02:Es ist nicht gut (Biese-Gillespie-Sizemore-Heinrich) 2:30
03:Treib mir die Trübsal aus (Rodgers-Kaipo-McWillliams-Heinrich) 3:01
04:400 Kilometer bis nach Essen (unveröffentlichte Trompeten-Single-Version:2006) (Heinrich) 2:33
05:Für alles was mal war (a.d.Jimmie Rodgers Session:2004) (Rodgers-White-Heinrich) 3:13
06:Warten auf den Zug (Rodgers-Heinrich) 2:53
07:Das Lied vom armen Tropf (Heinrich) 3:13
08:Betrübter Jodler #6 (Rodgers-Heinrich) 3:41
09:Ich lauf mir ‚nen Wolf (Tubb-Heinrich) 2:34
10:In ferne Länder zieh'n (Rodgers-McWilliams-Heinrich) 2:49


website:

http://www.rolandheinrich.com/

Wolfgang
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Re: Roland Heinrich - Warten auf den Zug

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Gepostet: 10.06.2010 - 08:30 Uhr  ·  #2
Ganz interessant, der Mann.

Das hat mein Kollege Frankie dazu geschrieben:

http://www.hooked-on-music.de/…ew_id=6461
hmc
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Re: Roland Heinrich - Warten auf den Zug

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Gepostet: 10.06.2010 - 15:05 Uhr  ·  #3
Gute Sache, für 7,95 habe ich das Album gefunden.
Ich werde berichten.
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