Charlie Winston - Hobo

ACHTUNG ACHTUNG! TALENT!!!

 
firebyrd
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Charlie Winston - Hobo

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Gepostet: 12.07.2010 - 19:50 Uhr  ·  #1
Charlie Winston - Hobo

Ab und zu geht es einem so, dass eine Platte, ein bestimmtes Stück eines Musikers, wie aus dem Nichts auftaucht.

So ging es mit Charlie Winston, dem am 14.9.1978 in Cornwall geborenen Musiker. Bereits im Alter von 17 studierte er in London an einer Musikhochschule, unter anderem auch Jazzpiano.
Anlässlich eines Aufenthaltes in Indien befasste er sich auch mit der dortigen Musik.
Ein Zusammentreffen mit Peter Gabriel im Jahre 2006 führte zu einer ersten Platte, "Make Way".
In Frankreich war es dann, als 2008 die Single "Like A Hobo" grosse Erfolge feierte, nachdem der Song im Vorspann einer Talkshow verwendet wurde.

Mit rumpelndem Schlagzeug und gefühlvollem, leicht rauchig-rauem Gesang startet die Platte, dazu ein prägnanter Basslauf, eine verzerrte Gitarre setzt ein, ein Piano sprenkelt feine Perlen , und dann der Refrain "I'm gonna put my whole world in you hands", dazu eine satte Bluesharp, und zusammengehalten wird das Ganze durch ein schepperndes Tamburin. Ja, das ist Musik der besonderen Art, das spürt man bereits jetzt. Winston hat ein leichtes Vibrato in der Stimme und verleiht ide Musik eine gewisse Individualität.
Das Stück endet in einem furiosen Finale.

Und nun der 'Hit', der Titel, der der Platte wohl ihren Titel gab, ich spreche von "Like A Hobo", mit diesem Refrain, der sich einbohrt, mit abermals dieser satten Harp, dem einleitenden Pfeifen des Künstlers, der zunächst auf eine mögliche Westernromantik schliessen lassen könnte. Dann marschiert die akustische Rhythmusgitarre, unterstützt vom treibenden Schlagzeug, voran, ein Chor, den Winston mit sich selbst singt, das hat ein wenig von der Atmosphäre des Titels von Stan Ridgway, "Camouflage".

Schon jetzt weiss man, dass das Hauptaugenmerk eindeutig auf die Gestaltung der Songs gerichtet ist, innerhalb der limitierten Laufzeit der einzelnen Titel geschieht eine Menge, hier wird nicht an Ausstattung gespart.
Immer wieder sind es Nuancen, die sich nach mehrmaligem Anhören immer stärker offenbaren.

Ganz deutlich zeigt sich für mich hier speziell erstmalig im Titel "I Love Your Smile" eine sehr große Ähnlichkeit zu Titeln von Randy Newman.
Winston ist ein Multitalent und brilliert in kurzen aber intensiven Soloeinlagen gleich auf mehreren Instrumenten.
Vorwiegend fällt mir sein Pianospiel sehr angenehm auf, nun, wo ich weiss, das Winston Jazzpiano studierte, wundert mich das auch nicht mehr.
Sehr romantische Momente gibt es so, hier bringt der Künstler auf dem Piano Elemente der Klassik ein, auf "Boxes", ein wirklich sehr schönes und harmonisches Stück, abgerundet durch ein herrliches Streicherarrangement, auch mit seiner Stimme spielt Charlie hier sehr interessant.
Humoristische Elemente bringen uns solche Titel wie "Kick The Bucket", wo Winston auch als "Beatbox" agiert. "We all kick the bucket in the end", der hängen bleibende Refrain, die leicht abgehackte Sprache mit dem Anflug eines leichten Slangs, das ist eine Variante im bunten Mix der Musik.
Aber auch "My Life As A Duck" ("They laugh at me and my life - my life as a duck")
Dann singt Winston davon, wie er sein ganzes Leben versucht hat, das Tier in ihm zu verbergen. Doch "now it's time to open up and breathe"!
Ein auf den ersten Blick lustiger Text mit einem ernsten Hintergrund, und schon wieder eine weitere Variante.
Alle Texte sind übrigens im Booklet abgedruckt.
Und zwar alles handschriftlich mit künstlerischer Ausgestaltung, schnörkelig und verspielt.

Leichten Groove bringt uns "Tongue Tied", teilweise in französischer Sprache, ausgestattet mit einem sanften Groove, dazu von Streichern umrahmt.

Nach "Boxes" bringt uns "Calling Me" ein weiteres akustisches Highlight, 'just the man and his guitar', und eine kleine Harp-Einlage dabei.

Ein besonderes Lob möchte ich an dieser Stelle noch Benjamin Edwards aussprechen, der es schafft, eine Bluesharp, die manchmal an Little Walter's oder Rod Piazza's Spiel erinnert, den Songs ganz spezifisch eine besondere Note einzuhauchen, wirklich sehr beeindruckend.

Einziger Fremdtitel ist eine Komposition von Steve Winwood und Jimmy Miller, das allseits bekannte "I'm A Man", als Bonustrack in einer Liveversion beigefügt.
Auch dieser Song funkt sanft und wird mit Druck vorgetragen, und auch hier ein sattes Harp-Solo, der Gesang geht dann fast in Rap über, mit knapp 3 Minuten vielleicht etwas kurz geraten, das wäre noch entwicklungsfähig gewesen, für mich der schwächste Titel der Platte.

Auf dem zarten "Soundtrack to falling in love" wird der Künstler gesanglich von Miranda Barber unterstützt, "Generation Spent" drängt dann wieder mit klopfendem Schlagzeug im Stil der Sechziger vorwärts, hier ein Dulcimer als Ausschmückung, leicht jazzige Atmosphäre auf "Every Step", bis sich dann mit "My Name" eine Platte eines Songwriters verabschiedet, von dem man unbedingt noch mehr hören sollte, Winston ist ein sehr grosses Talent.
So ist es wieder sehr ungewöhnlich, wie er diesen Titel inszeniert, mit klassikangehauchten Pianotupfern, verzerrtem Gesang, leicht polternden Drums, die dann zarten Pianopassagen, von hohem Gesang und Streichern umrahmt, Platz machen. Hier verspüre ich diese besondere Dramatik, wie ich sie aus früheren Tagen von Arrangements der Band Procol Harum kenne, das erinnert stark daran, sogar an Gary Brooker im Gesang.

Das ist feinster Singer/Songwriter-Pop mit dem gewissen Quentchen Feeling, der zu der gefühlten Introvertiertheit des Künstlers durch die hervorragenden Arrangements den Zuhörer daran teilhaben läßt.
Winston verfügt eine Stimme mit hohem Wiedererkennungswert, die für mich eine Mischung aus Nick Drake, Randy Newman und Paul Weller darstellt, und mit der er vermag, zerbrechlich als auch aufwühlend zu klingen.
Die Musik ist zwar grundsätzlich mit einer gewissen Eigentümlichkeit ausgestattet, bietet jedoch genügend Zugang und versperrt keine Wege.
Ich kann keinen schlechten Titel nennen,

Die Platte ist einem Freund, Jim Marcovitch, gewidmet, einem Klezmer-Musiker, der im Oktober 2008 im Alter von 34 den Kampf gegen ein "Non-Hodgkin-Lymphom" verlor.


Musiker:

Charlie Winston (vocals, guitar, piano, keyboards, beatbox, percussion, whistling, clapping, choir - #5,13)
Benjamin 'Ben Henry' Edwards (harmonica, dulcimer, percussion)
Medi (drums, backing vocals)
Daniel Marsala (electric bass, backing vocals)
Jamie Morrison (drums - #5,13, percussion - #2)
Ross Hughes (double bass - #13)
Saul Isenberg (percussion -#2)
Smokie Hormet (guitars -#1,3,8,10,12)
Vashti Anna (vocals - #6)
Miranda Barber (vocals -10)
Gemma Fuller (trumpet - #1,5)
Jon Spangel (trombone - #1,5)
Sam Pearce (french horn - #1,5)
Ed Haliman (tuba - #1,5)
Tom Norris (violin -#8,10)
Daniel Keane (cello - #5,8)
Ian Birdge (cello - #6)
Oli Langford (violin, viola - 5,6,8)
Scorchio Strings on #12:
Martha Mook (viola , leader)
Greg Kitzis (violin)
Paul Woodiel (violin)
Matt Goeke (cello)

Titel:

1. "In Your Hands" (3:51)
2. "Like a Hobo" (3:39)
3. "Kick the Bucket" (2:39)
4. "I Love Your Smile" (4:39)
5. "My Life as a Duck" (3:41)
6. "Boxes" (4:41)
7. "Calling Me" (4:38)
8. "Tongue Tied" (4:41)
9. "I'm A Man" (live) (3:07)
10. "Soundtrack to Falling in Love" (4:52)
11. "Generation Spent" (4:18)
12. "Every Step" (3:40)
13. "My Name" (4:28)

Wolfgang :D
risou
 
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Re: Charlie Winston - Hobo

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Gepostet: 12.07.2010 - 20:05 Uhr  ·  #2
Das macht mich ja mal wieder neugierig, Danke für die ausführliche Rezi!
stanweb
 
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Re: Charlie Winston - Hobo

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Gepostet: 12.07.2010 - 20:46 Uhr  ·  #3
Ich "musste" die Platte schon des Öfteren ertragen.

Je öfter ich mitgehört habe, desto mehr offenbarten sich gesangliche Schwächen des Sängers.
Songwritingmäßig ist das für mich leider auch nicht der Burner.
firebyrd
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Re: Charlie Winston - Hobo

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Gepostet: 13.07.2010 - 08:39 Uhr  ·  #4
Zitat geschrieben von stanweb
Ich "musste" die Platte schon des Öfteren ertragen.

Je öfter ich mitgehört habe, desto mehr offenbarten sich gesangliche Schwächen des Sängers.
Songwritingmäßig ist das für mich leider auch nicht der Burner.


siehste, das sehe ich anders.... 😉
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Re: Charlie Winston - Hobo

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Gepostet: 13.07.2010 - 20:57 Uhr  ·  #5
Die CD steht auf meiner "Wantlist", die Stimme erinnert mich immer an Jackie Leven.
firebyrd
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Re: Charlie Winston - Hobo

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Gepostet: 14.07.2010 - 09:13 Uhr  ·  #6
Zitat geschrieben von nobby
Die CD steht auf meiner "Wantlist", die Stimme erinnert mich immer an Jackie Leven.


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