The Shellac Brothers - Barrel Of Fun

Western Swing aus Dschörmänie

 
firebyrd
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The Shellac Brothers - Barrel Of Fun

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Gepostet: 02.12.2010 - 09:00 Uhr  ·  #1
The Shellac Brothers - Barrel Of Fun


Western Swing, das ist Musik, bekannt geworden durch den großartigen Bob Wills und heute noch immer aktuell und am Leben erhalten durch Asleep At The Wheel.
Große Vorbilder, an der sich diese Band zu messen hat. Ob das gelingen wird?

Western Swing ist eine eigenwillige Melange aus Country- und Swingelementen, gepaart mit einer Prise ganz alter Bluestradition, hauptsächlich der 30er Jahre. Aber auch weitere Einflüsse haben im Laufe der Zeit Einzug gehalten.
Vornehmlich wurde dieser Stil als Tanzmusik konzipiert, im großen Meer verschiedener Stilrichtungen des Country ist diese Musik jedoch schnell untergegangen und auch noch heute relativ unterrepräsentiert. Anlass genug, die im Kern meist fröhlichen Klänge nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.

Wenngleich ich die Musik auch annähernd authentisch empfinde, ohne dass ich den Eindruck gewinnen muss, dass sei einfach nur nachgespielt, so geht es mir hier mit dem Gesang nicht so. Ich kann mir nicht helfen, stets habe ich mit vielen deutschen Künstlern, die englisch singen, ein Problem. Nicht nur, dass man die deutsche Muttersprache durchscheinen hört, nein, es ist in der Regel ja auch die Sprachmelodie, die eine Sprache entscheidend bestimmt.

Und wenn ich an Western Swing, an Country oder an Texas denke, dann habe ich ganz bestimmte Vorstellungen im Kopf. Und - hier passt das einfach nicht immer zusammen, der deutsche Ausdruck will einfach nicht so recht swingen, das ist in der Regel eher hart akzentuiert und nicht fließend. Schade, denn die instrumentale Seite der Shellac Brothers schafft es nämlich wirklich, meine Füße zum Wippen zu bringen. Auch die Solobeiträge der Gitarre sind ideenreich, mit Gefühl und flüssig gespielt. Besonders angenehm fiel mir da der kurze swingende Ausflug Richtung Gypsy Swing bei "Put Me On A Train To Carolina" auf, klasse gemacht.

Zugegebenermaßen hat Fritz Blessing wirklich keine begnadete Sangesstimme, das muss ja auch nicht sein. Hunderte Beispiele, angefangen bei Bob Dylan beweisen schließlich, dass es darauf allein nicht ankommt.
Individualität und Ausdruck sind Elemente, die mir wichtig sind. Individualität ist gegeben, ja, aber der Ausdruck fehlt mir, bis auf wenige Ausnahmen.
Eine davon ist das locker swingende "Mississippi Girl", da passt alles zusammen. Die Stimme und die Background Vocals harmonieren ganz wunderbar mit den Instrumenten. Ja, warum hier und nicht auch bei den restlichen Songs?

Schauen wir mal, ob ein ähnliches Stück auf der Platte ist, bei dem ich den selben Eindruck habe: "Brother Can You Spare A Dime" zum Beispiel swingt ebenfalls, da klappt es weitestgehend wieder gut, ebenso bei "Two Glasses Joe" und bei "Stop Truckin' And Suzi Q".

So ganz und gar nicht kann ich mich mit den Titeln anfreunden, die sich an Klassikern des Countrygenres (Tracks 4, 9 und 12) orientieren. Da fehlt mir das ganz spezielle Feeling, und schon gar nicht gehen die Bluestitel von Memphis Minnie (#7) oder eines der Stücke von Tampa Red (#1) oder von Lonnie Johnson (#2).

Die Vocals wirken dort nicht sehr überzeugend. Besonders auffällig ist das 'Hinterherstolpern' auf "Oh Yes", das wirkt dort so gar nicht fließend in einer Einheit mit der Band.
Leider ist es meistens auch das Zusammenklingen aller Stimmen, die keine geschlossene Harmonie - wie man es grundsätzlich aus der Countrymusik, vornehmlich aus dem Bluegrass kennt - bietet, man scheint irgendwie nebenher zu singen, schade.

Grundsätzlich, also im Ansatz, auf jeden Fall ein "Barrel Of Fun", das sich live sicher wieder anders darstellen dürfte, und sicher auch eine Bereicherung der deutschen Musiklandschaft ist. Doch bei den wenigen Titeln, die mir subjektiv gefallen, für mich kein spezieller Anreiz.
Für alle anderen jedoch, die im wesentlichen mehr die Musik vordergründig beurteilen, auf keinen Fall ein schlechter Griff. Wie immer gilt auch hier: alles ist relativ.

Musiker:


Fritz Blessing (Gitarre und Gesang)
Joscha Glass (Kontrabass)
Benny Glass (Schlagzeug)
Rudie Blazer (Mandolette, Gesang, Gitarre)


Titel:

01:Barrel Of Fun (Tampa Red) (2:21)
02:Tomorrow Night (Johnson) (3:03)
03:Mississippi Girl (McPeters, Rachel*) (2:36)
04:Remember I Feel Lonesome Too (Delmore) (1:44)
05:Brother Can You Spare A Dime ((Harburg, Gorney) (3:06)
06:Oh Yes (Broonzy) (2:40)
07:Tonight I Will Smile With You (Memphis Minnie) (2:52)
08:When The Sun Goes Down In Harlem (McCoy) (2:01)
09:Put Me On A Train To Carolina (Louvin) (4:14)
10:When I Take My Vacation In Harlem (Tampa Red) (3:18)
11:Two Glasses Joe (Tubb) (2:11)
12:You're Gonna Change (Williams) (2:19)
13:Biquits (Carter) (3:49)
14:Stop Truckin' And Suzi Q (Tampa Red) (2:57)
(* auf dem Cover sind die Angaben nicht genau lesbar)


http://www.rocktimes.de/gesamt…acbrothers


Wolfgang
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Re: The Shellac Brothers - Barrel Of Fun

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Gepostet: 02.12.2010 - 12:59 Uhr  ·  #2
Oha, da werde ich ausnahmsweise mal nicht zuschlagen.

Die Rezi gefällt mir sehr sehr gut, denn wie so oft habe ich beim lesen das Gefühl die besprochene Scheibe zu hören.

Die Gabe habe ich leider nicht.
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