Fast vergessene Technologien - Tonabnehmer

..damit der ursprüngliche Thread nicht zu lange wird.

 
Xhol
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Fast vergessene Technologien - Tonabnehmer

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Gepostet: 09.10.2006 - 14:43 Uhr  ·  #1
Tonabnehmer

Für alle, die es vergessen haben, eine kurze Einführung. Ich beschränke mich auf die seit den 50er-Jahren übliche Stereo-Technik:
Ein Tonabnehmer ist ein Bauteil eines Plattenspielers. Mit ihm werden die Informationen der Rille einer Vinyl-Platte abgetastet und als elektrisches Signal an den Verstärker übertragen. Die vertikalen Auslenkungen für den einen Stereokanal, die horizontalen für den anderen.
Der Tonabnehmer besteht aus einer Nadel, einem Nadelträger und dem Wandler, der die Informationen in elektrische Spannung überträgt.

Anfänglich waren meist Piezokristall-Tonabnehmer im Gebrauch. Sie benötigten relativ hohe Auflagekräfte von 4 – 7 Nm (was zur schnellen Zerstörung der Vinylplatten führte) um nicht aus der Rille zu springen und waren bezüglich der Abtastung der Rillen sehr träge. Ihr einziger sogenannter Vorteil war, dass sie eine der Auslenkung der Rille proportionale Signalspannung erzeugten, mehr und meist weniger linear. Man konnte sie also an jeden beliebigen linearen Eingang anschließen.

Ein entscheidender Fortschritt war die Entwicklung von elektromagnetischen Tonabnehmern. Diese benötigen wesentlich geringere Auflagekräfte (ca. 1 – 1,5 Nm) und sind wesentlich weniger träge. Hier ist es so, dass die Geschwindigkeit der Nadel die Signalspannung erzeugt. Das führt dazu, dass bei tiefen Frequenzen, also langsamer Geschwindigkeit der Nadel, eine zu leise Signalspannung entsteht. Dem konnte man nur dadurch begegnen, dass man einen Standard, die RIAA-Kennlinie, einführte. Dies erfordert jedoch einen Vorverstärker, der die Signalspannung anpasst, also bei tiefen Frequenzen erhöht und bei hohen Frequenzen (schnellere Auslenkung/Geschwindigkeit) absenkt. Also eine Art genormter Equalizer.

Bei den elektromagnetischen Tonabnehmern unterscheidet man 2 Systeme:

MM = Moving Magnet
Wie der Name sagt, wird hier der Magnet im Wandler bewegt.
MC = Moving Coil
Hier wird die Spule im Wandler bewegt.

Vorteil MM:
Kann bei jedem guten (Vor-)Verstärker über den normalen Phono-Eingang betrieben werden.
Ein Austausch des Nadelträgers bei Beibehaltung des Wandlers ist problemlos möglich.

Vorteil MC:
Geringere mechanisch bewegte Masse, deshalb eine noch feinere Auslenkung und dadurch ggf. (aber nicht unbedingt) ein noch transparenteres Klangbild. Allerdings ist die Signalspannung ca. um den Faktor 10 geringer, so dass man evtl. einen weiteren Vor-Vorverstärker dazwischen schalten muss. Dies kann zu einer Verringerung des Signal/Rauschspannungs-Abstands führen, also bei qualitativ nicht absolut hochwertigen Geräten zu einer Erhöhung des Rauschens.
Ein Austausch des Nadelträgers ist kaum möglich, da die Spulen mit der Nadel verbunden sind, man muss also bei entsprechendem Verschleiß den gesamten Tonabnehmer austauschen.

Bei den Nadeln gibt es sowohl bei MM als auch bei MC zwei wesentliche Formen: Den konischen Schliff sowie den elliptischen Schliff, bei dem die Nadel vor allem die horizontalen Rillen besser abtasten kann. Bei den elliptischen gibt es noch einige Spezialschliffe (vandenHul usw.), die dazu dienen sollen, auch die Abtastfähigkeit der vertikalen Rillen zu verbessern. Speziell der vandenHul-Schliff wurde allerdings kritisiert, da die Nadel sehr spitz zuläuft. Man befürchtete deshalb eine Zerstörung der vertikalen Rillen. Das hat sich aber offensichtlich nicht bewahrheitet.

Bis zum Aufkommen der CD waren im gehobenen Preissegment für Tonabnehmer (300 - 500 DM) Marken wie Shure, Ortofon, Audio Technica, Empire und Stanton marktführend.

Abschließende Bemerkung:
Da die CD die Vinyl-LP weitgehend verdrängt hat, gibt es nur noch wenige hochwertige Verstärker mit Phono-Eingang. Muss man einen Plattenspieler über einen Linear-Eingang anschließen, benötigt man einen zusätzlichen Vorverstärker. Auch hier gibt es nur noch wenige hochwertige und entsprechend kostspielige Geräte. Eine konkrete Empfehlung kann ich nicht abgeben.
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Tonabnehmer

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Gepostet: 12.10.2006 - 23:19 Uhr  ·  #2
Tja, das mit den Verstärkern ohne Phonoeingang ist traurig. Allerdings muß man sagen, das bei den DDR Plattenspielern die Phono-Vorverstärker bereits mit im Gehäuse eingebaut waren. Es gab zwar Verstärker, die auch einen Phono-Eingang hatten, dieser wurde aber nicht Vorverstärkt. Der Vorteil bei solch einer Bauweise war, das die RIIA-Entzerrung auf den Verwendeten Tonabnehmern der jeweiligen Plattenspieler genau angepasst war. Das hab ich gemerkt, als ich meinen guten alten Lenco L 75 gegen den hier im Forum aufgefürten Tangentialplattenspieler aus DDR Produktion ausgetauscht habe.
Der Lenco wurde damals ganz normal über den Verstärker Phonoeingang Vor und Endverstärkt. Den jetzigen Plattenspieler habe ich über den AUX-Eingang angeschlossen. Dabei stellte sich raus, das das jetzige Gerät viel mehr dampf hat und Dynamischer klingt. Die Kombination der Systemangepassten vorverstärkung und der tangentialen abtastung haben das klangbild radikal verbessert. Das merkt ich stark, wenn ich von Platte auf den Computer aufnehme. Die Aufnahmen mit dem alten Plattenspieler waren dumpf und mußten wegen dem einbau einer neuen Soundkarte mit digitaler RIIA vorverstärkung vom Wave-Editor verstärkt werden. Jetzt gehe ich ganz normal in den LineIN-Eingang der Soundkarte rein und habe die gewünschen Klangeigenschaften und eine Ordentliche Lautstärke. Bei guten Mint- Platten ist das Ergebnis tadellos.
Xhol
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Re: Fast vergessene Technologien - Tonabnehmer

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Gepostet: 13.10.2006 - 13:00 Uhr  ·  #3
Zitat
Der Vorteil bei solch einer Bauweise war, das die RIAA-Entzerrung auf den verwendeten Tonabnehmern der jeweiligen Plattenspieler genau angepasst war.

Das konnte allerdings zum Nachteil werden, wenn man ein anderes Tonabnehmersystem montiert hat, das eine geringfügig andere Entzerrung hatte. Aber da die RIAA-Kennlinie normiert ist, düfte es da bei den Entzerrer-Vorverstärkern generell nur sehr marginale Abweichungen geben.
Ein Vorteil des eingebauten Vorverstärkers war/ist, dass man sich bei der Beurteilung eines nachgeschalteten Geräts (Verstärker / Soundkarte) auf andere Kriterien - und nicht den Phono-Bauteil - konzentrieren kann.
Reinhard
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Re: Fast vergessene Technologien - Tonabnehmer

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Gepostet: 13.10.2006 - 22:35 Uhr  ·  #4
Ich kann mir nicht vorstellen, dass solch ein eingebautes Teil mit einem PrePre von ClearAudio oder Pro-Ject mithalten kann.
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