Wasilewski, Kurkiewicz, Miskiewicz - Faithful

 
firebyrd
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Wasilewski, Kurkiewicz, Miskiewicz - Faithful

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Gepostet: 09.04.2011 - 17:23 Uhr  ·  #1
Marcin Wasilewski, Slawin Kurkiewicz, Michal Miskiewicz - Faithful


Der polnische Landsmann, der Trompeter Tomasz Stanko war es, der diese drei Musiker - Marcin Wasilewski, Slawin Kurkiewicz, Michal Miskiewicz - unterstützte und sie erstmals als Begleiter, für sein 2002 erschienenes Album "The Soul Of Things" verpflichtete.
Sie nannten sich damals "Simple Acoustic Trio".
2004 folgte dann auf ECM das erste Soloalbum, "Trio", und nun "Faithful", das dritte Album des Trios.

Das Pianotrio im Jazz - ich hatte es an anderer Stelle sicher auch schon einmal beschrieben - das ist in der Regel der Pianist als Solist sowie Bass und Schlagzeug als treue und antreibende Begleiter, die dann gelegentlich einen Solovortrag bekommen. Auch bei Marcin Wasilewski, Slawin Kurkiewicz, Michal Miskiewicz haben wir es wieder mit einem Pianotrio zu tun, wo Gleichberechtigung vorzuherrschen scheint. Aber auch wieder ganz anders als beim Esbjörn Svensson Trio oder Helge Lien Trio, wo alle Instrumente oft gleichzeitig voranzupreschen scheinen - hier wird von allen drei Musikern gleichermaßen zart getupft, meistens jedenfalls.

In der Gesamtheit betrachtet, ist auf "Faithful" sehr ruhige und beschauliche Musik zu hören, sehr lyrisch im Ausdruck, oft von zarter Melancholie, aber auch Aspekte von Ferne, Sehnsucht und Losgelassenheit assoziierend. Mitunter gibt es jedoch auch ein forsches Voranpreschen bei einzelnen Titeln, wie beispielsweise bei "Mosaic", wo dezente Jazz Rock-Elemente einfließen.

Stilistisch werden verschiedenste Elemente eingebunden, allein schon durch die Herkunft einzelner Titel, wie von Hans Eisler, Paul Bley, Ornette Coleman, Frances Landesman, Thomas Wolf oder Hermeto Pascoal, wird dies symbolisiert. Diese fünf so unterschiedlichen Fremdquellen vermischen sich mit den Eigenkompositionen des Pianisten Wasilewski zu einem Ganzen.

Bei der ersten Nummer, "Night Train To You", fällt gleich etwas stark auf. Hier fühle ich mich stracks in die siebziger Jahre des ECM-Labels zurück versetzt, als Bobo Stenson dort mit seinem Trio oder auch in anderen Formationen das frühe Gesicht des Labels mitprägte. Vor allem ist es der Drummer Miskiewicz, der es zu verstehen scheint, eine Synthese aus den beiden Drummern Jon Christensen und Jack DeJohnette herzustellen. Von beiden scheint er etwas verinnerlicht zu haben - man achte allein auf dieses ganz spezielle Spiel an den Becken, und den damit erzeugten Drive.

Hatte Stanko den drei Polen bei der Mitwirkung auf seinen Platten bereits Spielraum zugemessen, wird auf "Faithful" erneut die Gelegenheit genutzt, diesen auszuweiten. Aus festen Themen entwickelt sich die Musik - wie spontan und aus momentanen Ideen heraus geboren. Fast zufällig wird der Hörer überrascht und eine neue Wendung reißt ihn wieder in eine andere Richtung. Das heißt: Allen, die Freude und Muße besitzen, sich entspannt dem reinen Hören hinzugeben, wird eine offene Welt des Entdeckens geboten.
Das kann zur Folge haben, dass man nicht nur allein Elemente des Jazz entdecken wird, sondern in erster Linie ist es die E-Musik, die sich teilweise widerspiegelt. Aber auch Anteile aus der Popmusik wird man herausfiltern können. Es fällt zudem auf, dass gerade "Faithful" von Ornette Coleman, den ich eigentlich 'schräger' erwartet hätte, einer der wunderschönsten geworden ist. Diese Erwartung übernimmt dann "Big Foot" von Paul Bley, der einem Ideal des coolen Jazz wohl am nächsten kommt - mit Übergängen zu freiem Spiel, eine sehr gelungene Interpretation, klasse!
Die Rolle des Bassisten, Slawin Kurkiewicz, wirkt auch nicht typisch interpretiert. Es herrscht keine Dauerpräsenz vor - mal ist er weniger, mal öfter zu hören. Das unterstreicht wiederum die Gleichwertigkeit der drei Musiker, ihre jeweilige Verbundenheit zueinander und damit ihre Gleichgewichtigkeit.

Bei intensiver Beschäftigung ist "Faithful" ein Hochgenuß, beim reinen Nebenbeihören ein unaufdringlicher Ohrenschmaus - was will man mehr? Und das bei nahezu zweiundsiebzig Minuten Laufzeit der CD!
Der "Lugano Lake" scheint sich, möglicherweise im Licht der untergehenden Sonne, in mein geistiges Auge zu setzen. Ich meine bei diesem Titel eine Atmosphäre ganz früher Titel von Joe Zawinul und Weather Report zu spüren, oder?

Musiker:

Marcin Wasilewski (piano)
Slawin Kurkiewicz (double-bass)
Michal Miskiewicz (drums)

Titel:


01:An den kleinen Radioapparat (Eisler) [4:30]
02:Night Train To You (Wasilewski) [10:41]
03:Faithful (Ornette Coleman) [7:16]
04:Mosaic (Wasilewski) [10:34]
05:Ballad Of The Sad Young Men (Landesman/Wolf) [5:29]
06:Oz Guizos (Pascoal) [6:32]
07:Song For Swirek (Wasilewski) [8:14]
08:Woke Up In The Desert (Wasilewski) [5:32]
09:Big Foot (Paul Bley) [6:21]
10:Lugano Lake (Wasilewski) [6:33]



Wolfjazz
radiot
 
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Re: Wasilewski, Kurkiewicz, Miskiewicz - Faithful

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Gepostet: 09.04.2011 - 20:15 Uhr  ·  #2
Ich habe den Erstling des Trios, "Lullaby for Rosemary" (rec. 1995 & 2001) mit, ja!, nur Komeda Kompositionen und die zweite CD (eben "Trio" von 2005) und befürchte, nach der schönen Rezension mir nun auch die dritte Platte der drei Musiker kaufen zu müssen.

Du bist schuld! :lol:

Radiot grüßt! :8)
risou
 
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Re: Wasilewski, Kurkiewicz, Miskiewicz - Faithful

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Gepostet: 11.04.2011 - 20:24 Uhr  ·  #3
Da besteht bei mit wohl dringender Nachholebedarf!
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