Vein - Plays Porgy & Bess

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firebyrd
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Vein - Plays Porgy & Bess

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Gepostet: 20.09.2011 - 08:20 Uhr  ·  #1
Vein - Plays Porgy & Bess


"Porgy & Bess", (fast) alle werden diese Oper von George Gershwin, Ira Gershwin und DuBose Heyward kennen. Spätestens mit dem Song "Summertime", von dem es bereits 'One Song Editions' gibt, dürfte jedem der Zusammenhang mit diesem Werk über den Weg gelaufen sein. Und dieser Song ist hier sogar gleich zweimal vertreten.
Diese von den Komponisten initiierte Synthese von europäischer Orchestermusik und amerikanischen Folk- und Jazztraditionen wird nun durch das Schweizer Trio in ein neues Gewand gesteckt - also keine große Operninszenierung, auch kein Gesang, sondern reduzierte Oper im Jazzstil. Dennoch sind für alle, die möglicherweise mitsingen möchten, im Booklet alle Texte abgedruckt - eine gute Idee, wie ich meine. So zumindest könnte man versuchen, nachzuvollziehen, ob die Texte hinsichtlich ihrer jeweiligen Aussage musikalisch mit treffendem Ausdruck umgesetzt wurden.

Kürzlich führte ich aus, dass die Zeit des klassischen Pianotrios im Jazz in der Art, wie es von Oscar Peterson oder auch, um einen weiteren zu nennen, Bud Powell bekannt war, offensichtlich vorbei sei. Jeweils blieb dem Pianisten die 'Chefrolle' und die Begleiter wirkten oft als Statisten, die den Meister mehr oder weniger unterstützten. Gut, schon früh machten sich auch Bassisten und Schlagzeuger von dieser Rolle frei, doch so viel Entwicklung wie in den letzten Jahren hat in dieser Stilrichtung vorher nicht stattgefunden.
So reiht sich dieses junge Schweizer Trio nahtlos in die Tradition jener Bands ein, in denen alle Musiker zunehmend eine gleichwertige Rolle spielen, ohne dass das Piano als Soloinstrument seine Bedeutung verlieren würde.

Gleich in der “Ouverture“ setzt der Pianist klare Akzente, indem er sein Instrument schon fast wie ein Xylophon klingen lässt und das in einer geschwinden Tonfolge, die stark an jene Zeit erinnert, als Chick Corea Anfang der Siebziger in Bereich der Fusion Halsbrecherisches zum Besten gab. Traditionen aufgreifend, von viel Groove inspiriert, und mit einem modern klingenden Gerüst versehen, werden Titel, die man zu kennen meint, verwandelt, denn man muss schon gut aufpassen, um "Summertime" in dieser wohl mir am 'modernsten' klingenden, bekannten Jazzversion klar und eindeutig zu erkennen. Und dennoch bleibt es erkennbar "Summertime", das Thema taucht im Basspart ebenso wieder auf. Meine Hochachtung vor dieser mutigen Interpretation!
Das an sich dramatische "Bess, You Is My Woman Now" erfährt durch seine geheimnisvoll anmutende Stimmung einen ganz besonderen Anstrich. Die Klaviersaiten werden benutzt, auf ihnen scheint auch gerieben zu werden, federnde Klänge der Becken und knurrige Töne vom Bass lassen nicht unbedingt erahnen, dass hier ein rein akustisch besetztes Jazztrio unterwegs ist. Das Stück ist in diesem eher schwebenden Ambiente herrlich ausdrucksstark, bis sich nach etwa dreieinhalb Minuten der Song langsam zu formieren scheint. Hierbei setzen sich alle drei Musiker ein, um gemeinsam ein Klangbild zu schaffen, dass eine Struktur aufweist, die nicht in das Schema bekannter Strukturen passt. Für einige Jazzliebhaber wäre das wahrscheinlich bereits Free Jazz auf die ganz langsame Art. Dabei verstehen es die Drei einfach nur, ein Bild zu malen, einer beschriebenen Szene ganz besondere Prägung aufzudrücken.
Aber es geht auch anders und fast schon rockend mit einem Hauch Blues und einer Boogie-Einlage zielt "I Got Plenty O' Nuttin'" in eine ganz andere Richtung. Die Melodie wird vom Bass vorgetragen und man hat das Gefühl eines Rollentausches. Dabei werden diese nicht getauscht und auch nicht neu besetzt, sondern gleichwertig verteilt, ein fürwahr 'sozialistischer Gedanke' scheint umgesetzt worden zu sein.

Und so geht es dergestalt weiter, dass die an sich typischen Gershwin-Titel teilweise völlig umgekrempelt werden, als würde man sie zerstören und mit einem letzten Hauch Wiedererkennungswert neu aufbauen. Das ist auf hervorragende Weise gelungen, einige Male mit viel, andere Male mit weniger Struktur im herkömmlichen Sinne. So wirkt die Musik teilweise befreit und fordert den nicht 'geübten' Hörer sicher erheblich. Hier erlebt man keinen Jazz eines Trios, das aus meiner Sicht ’böswillig so genannte Barmusik’ spielt - das ist kein Hintergrundgeplänkel, hier geht es faustdick und kreativ ab! Ein erneutes Beispiel dafür, wie viel Innovation derzeit aus der Schweizer Jazzszene freigesetzt wird!

Hier regiert das Unerwartete, ganz im Gegenteil zu dem, was man ableiten könnte, wenn man das Programm liest. Keine sture Wiedergabe dessen, was die großartigen Komponisten vorgelegt haben, sondern eine Verbeugung vor diesen und ein Fingerzeig dorthin, wie man Klassiker neu gestalten kann, ohne dass sie ihr Gesicht verlieren.
Nicht nur bei der zweiten Version von "Summertime" vernehme ich Perkussionsinstrumente. Hier wird gar die Melodie auf ihnen gespielt, eine großartige Idee! Offensichtlich sind diese im Line-up unterschlagen worden, ich kann also nicht angeben, wer aus der Band sie bedient. Jedenfalls gehören beide Versionen dieses 'Hits' in die Schublade 'ganz besonders'!
"My Man's Gone Now", ein Titel, den ich spontan mit Düsternis und tiefer Trauer assoziiere, erscheint hier, untermauert durch verschiedene Vokalversionen, recht gegenteilig fröhlich. Diese Dramatik offenbart sich dann letztlich im abschließenden Titel, in dem Porgy klagt, »Oh Bess, where's my Bess, I want her now, won't somebody tell me where's my Bess?« Nun, sie ist offensichtlich entschwunden und dieses Gefühl von Ungewissheit, Suche und Trauer verabschiedet uns alle zusammen, nicht wissend, wohin sie ist.

Ich hätte nicht gedacht, das nach so vielen diesjährigen Pianotrio-Platten noch eine Steigerung möglich gewesen wäre, doch hier ist sie! Und das Cover macht doch auch richtig Appetit, oder?


Musiker:

Michael Arbenz (piano)
Thomas Lähns (bass)
Florian Arbenz (drums

Titel:

01:Ouverture (0:58)
02:Summertime (5:45)
03:Bess, You Is My Woman Now (7:07)
04:I Got Plenty O' Nuttin' (4:08)
05:Here Come De Honey Man (1:30)
06:I Lonesome Here All By Myself (2:04)
07:I Loves You Porgy (7:18)
08:Summertime (2:42)
09:It Ain't Necessarily So (4:32)
10:Crab Man (1:54)
11:My Man's Gone Now (8:32)
12:Strawberry Woman (2:34)
13:There's A Boat Dat's Leavin' Soon For New York (7:19)
14:Oh Bess, Where's My Bess/Oh Lawd, I'm On My Way (3:30)



http://www.vein.ch/


Wolfgang
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nobbygard
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Re: Vein - Plays Porgy & Bess

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Gepostet: 20.09.2011 - 09:15 Uhr  ·  #2
Oh, Scheiße, das wird sicher teuer, aber bei Porgy & Bess kann ich immer nicht widerstehen. Ich habe Material für eine 5er CD "Summertime" - kann auch mehr sein!!!

Nobby
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