Berlansky - In Between

 
firebyrd
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Berlansky - In Between

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Gepostet: 11.05.2012 - 07:43 Uhr  ·  #1
Berlansky - In Between


Esther Berlansky, die Sängerin mit ungarischen Wurzeln ist die Namensgeberin dieser Formation. 1982 geboren, studierte sie Jazzgesang und Jazzkomposition/arrangement. Ihr Quartett gründete sie im Jahre 2004 und drei Jahre später erschien das Debütalbum.
War auf der ersten Platte noch ein Klavier Bestandteil der Musik, wurde nun ein Vibrafonist hinzugezogen, ferner erfolgte eine Erweiterung durch ein Streichquartett. Dieser Umstand hatte zur Folge, dass sich kompositorisch andere Möglichkeiten eröffneten. Und diese werden auch ausgiebig genutzt, geht die Musik eben über das hinaus, was mit einer eher standardmäßigen Jazzbesetzung möglich ist.

Die Idee, Jazz mit Elementen der klassischen Musik anzureichern, ist nicht neu, hat doch einst Charlie Parker bereits reichlich davon Gebrauch gemacht. Höre ich die ersten Töne von "In Between", denke ich beim Klang des Vibrafons unweigerlich an Gary Burton. Dann setzt der Gesang ein und ich stoße auf das erste fremde Element, die Sprache - ich denke, es ist ungarisch. Doch das relativiert sich nach kurzer Zeit, indem Esther in wortlosen Scat-Gesang übergeht - ansonsten keine besonderen Vorkommnisse. Es folgen ein virtuoses Basssolo und eines vom Vibrafonisten. Bass und Schlagzeug bilden eine verwobene Einheit und geben der Musik Tiefe und Sicherheit und verbleiben dabei nicht statisch als reine Rhythmusgeber, sondern wirken gestaltend auf das Gesamtgeschehen ein. So sollte es sein: Eine Dichte in der Musik, die alle Beteiligten gleichberechtigt darstellt, obwohl der Star ja hier eigentlich die Sängerin wäre. Doch sie stellt sich nicht in den Vordergrund und gerade durch die Verwendung des Gestaltungsmittels 'Scat' wird sie Bestandteil des Sounds. Nun denn, eine zweite Ella Fitzgerald kann und sollte man nicht erwarten, die hätte wahrscheinlich auch nicht unbedingt in dieses Konzept gepasst.

Nach einem kurzen "Intermezzo", die übrigens mehrmals wie Bindeglieder eingefügt werden, als Überleitung, führt dieses in den ersten ruhigen balladenartigen Song, wobei Scat und die unbekannte Sprache fast gleichartig wirken. Die Stimme wird prägender Bestandteil romantisch-verklärter Stimmung, wird fast ganz zurück genommen und gibt einem Basssolo Raum. Die Drums werden zart gestreichelt und die Aufmerksamkeit des Zuhörers wird geweckt - ein sanft tupfendes Vibrafon im Hintergrund lässt die Gedanken fliegen, der eher ruhig-zurückhaltende Gesang fügt sich harmonisch ein. Esthers Stimme ist nicht effekthaschend, nicht besonders vorwärts preschend, sie wirkt oft eher zaghaft als zupackend.

Bisher vermisse ich das sich mir bereits durch das Line-up angekündigte Streichquartett, das sich nach einem härter swingenden "Dum Ba Ba Di Ba Du Wee" erst beim Klassiker "You Don't Know What Love Is" erstmals vorstellt. 'Stimme an Streichquartett', so könnte es auf einer Speisekarte zu lesen sein. Eine sehr ungewöhnliche Interpretation eines Songs, der schon durch viele Künstler zum Glänzen gebracht wurde. Hier wird er etwas seiner Jazzstimmung beraubt und wieder dorthin verfrachtet, woher er eigentlich kommt: aus dem Unterhaltungsbereich. Track acht: Noch einmal wird gestrichen, diesmal etwas farbenfreudiger und die Protagonistin singt hier den von ihr arrangierten Song schon leicht frech. Dazu kommen dezent rockende Elemente und bieten eine weitere Farbe in diesem Spektrum der Abwechslung.

Von ruhig über cool swingend bis leicht avantgardistisch mit dem Abschlusstitel, der erneut die Streicher hervorholt, läuft die Platte bis zu ihrem Ende. Hier wird uns mit den für einige Ohren sicher schräg klingenden Streichern eine stark folkloristische Stimmung vermittelt. Dazu der Gesang, der sich auf der Tonleiter munter hin und her bewegt, nach zweieinhalb Minuten dann auch kurz ganz solo - der wohl ungewöhnlichste und sperrigste Song der CD, aber jener, der mir am besten gefällt. Nach fünf Minuten, nachdem der letzte Track eigentlich bereits vorbei war, lebt er als Hidden Track wieder auf. Ein E-Piano oder Keyboard (wer spielt das eigentlich?) und englischsprachiger Gesang kreieren eine leicht magisch-verträumte Stimmung, richtig schön!

"In Between" ist nicht unbedingt eine reine Jazzplatte - in der Basis ja, aber im Gesamtausdruck nicht, also auch wieder nichts für Puristen, aber für alle, die offene Ohren haben. Man sollte sich aber darauf gefasst machen, dass nicht alles unbedingt ohrenfreundlich erscheint.
Wie ich bereits anmerkte, lebt die Musik von einer starken Dichte, wodurch allerdings ein wenig ausgedehnter solistischer Vortrag, wie man ihn vom Jazz grundsätzlich kennt, ins Hintertreffen gerät. Das heißt, eigentlich ist es der Vibrafonist, der etwas zu kurz kommt. Vielleicht bekommt er das nächste Mal eine Chance?

Musiker:


Esther Berlansky (vocals)
Mathias Haus (vibraphone)
André Nendza (bass)
Oliver Rehmann (drums)
Pascal Théry (violin)
Ildió Antaíffy (violin)
Ralf Buchkremer (viola)
Michael Flock-Reisinger (violincello)

Titel:

01:Vártalak rózsám [trad./Berlansky] (7:43)
02:Intermezzo #1 (0:12)
03:Bús A Kis Gerlice Madár [trad./Berlansky] (6:27)
04:Intermezzo # 2 (0:06)
05:Dum Ba Ba Di Ba Du Wee [Berlansky] (3:56)
06:You Don't Know What Love Is [ Ray/De Paul/ arr. Berlansky] (2:54)
07:Intermezzo # 3 (0:12)
08:Feleségem Olyan Tíszta [trad./Berlansky] (5:55)
09:Intermezzo # 4 (0:09)
10:It's Just The Other Way Around [Berlansky] (6:46)
11:Intermezzo # 5 (0:09)
12:Minél Gyorsabban [Berlansky] (5:32)
13:Intermezzo # 6 (0:16)
14:Víz Alá, Víz Alá [Berlansky] (4:49)
(On #2, 4, 7, 9, 11, 13 music by Bob Cane)



http://www.esther-berlansky.de/

Wolfgang
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