sophie hunger

 
earl grey
 
Avatar
 
Betreff:

sophie hunger

 · 
Gepostet: 18.11.2012 - 10:19 Uhr  ·  #1
Eine Schweizer Sängerin, die für sich im Schnittbereich zwischen Blues, Folk, Rock, Jazz einen ganz eigenen Stil entwickelt hat. Alle Vergleiche hinken entsprechend, ich probiere es dennoch einmal: Tori Amos, Björk, Cowboy Junkies, Bob Dylan, Nina Simone.... ach man sollte Vergleiche wirklich lassen.

Sie singt auf englisch, französisch, deutsch und schweizerdeutsch - ohne dass das irgendwie Attitüde wäre, jemandem mit ihrem künstlerischen Mitteilungsdrang ist eine Sprache zu wenig, sie ist eine europäische Weltbürgerin, durchaus auch im politischen Sinne, wie ihre klugen, engagierten, aber dennoch(?) poetischen Texte beweisen.

Überhaupt Attitüde ist das Gegenteil dieser Frau. Sie hat Haltung, den unbedingten Willen, etwas eigenes zu machen, sich nicht vereinnahmen zu lassen. Auf Amazon habe ich gelesen, dass das alles ja ganz toll sei, was sie da so mache, aber doch irgendwie ein "Hit" fehle... tja, so ist Frau Hunger: Zwei ihrer eingängigsten Stücke (My oh my, Speech), um nicht zu sagen "Hits" waren bislang überhaupt nicht "käuflich" zu erwerben. "My oh my" hat es jetzt immerhin in einer neuen Version auf die Bonus-CD ihrer neuen, sehr zu empfehlenden "Danger Of Light"-Platte gebracht.

Konkreter Anlass für meine Laudatio hier ist ihr gestriges Konzert in der Hamburger Fabrik. Es war ausverkauft, Publikum von Teenie bis scheintot. Ich glaube, ich war noch nie in einem Konzert, wo ein Publikum dermaßen konzentriert und hingerissen war.
Ein Gänsehautmoment von vielen: Ein Stück ihrer ersten Zugabe (Train People), das davon handelt, wie wir nicht nur im berühmten "Zug nach Nirgendwo" sitzen, sondern dieser Zug selber sind, dieses Lied endet relativ überraschend ... die Musiker verharren wie Pantomimen und machen in diesem Moment, wenn man so möchte, die Fragwürdigkeit unserer Realität erfahrbar...
einige kostbare Sekunden war es in der Fabrik totenstill, bis der Beifall aufbrandete.

Dabei war ich vor dem Konzert noch leicht skeptisch, denn zwei ihrer Musiker sind vor kurzem ausgestiegen (der Gitarrist in "Vaterschaftsurlaub", glaube ich). Aber v.a. der Posaunist, dem bislang eine absolut tragende Rolle zukam, der gewissermaßen zentrale Riffs vortrug, war m.E. doch nur schwer zu ersetzen. Aber Pustekuchen: Das Fehlen der beiden war zwar an wenigen Stellen spürbar, wurde aber durch um so mehr Spielfreude überkompensiert. Und vor allem durch zwei neue Musiker: Eine Cellistin und einen Mann für diverse Blas- und Tasteninstrumente, einen wahren Derwisch, dessen eingestreute Soli, schon allein ihr Geld wert waren.

Ich bekomme noch immer nicht das Grinsen aus dem Gesicht. Es war eines der Ereignisse, die einem zeigen können, was es bedeuten kann, Mensch zu sein, das Leben zu umarmen und aber auch, wie nötig es ist, es nicht zu vergeuden, sondern die eigene Glaubwürdigkeit und Intensität in Fühlen, Denken und Tun zu bewahren. Mag sein, dass ich es in ein paar Tagen etwas gelassener und weniger pathetisch formulieren würde. Aber klasse war es.
Gewählte Zitate für Mehrfachzitierung:   0

Registrierte in diesem Topic

Aktuell kein registrierter in diesem Bereich

Die Statistik zeigt, wer in den letzten 5 Minuten online war. Erneuerung alle 90 Sekunden.