Boston - Same (1976)

AOR, Debut

 
Rainer The Mage
 
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Boston - Same (1976)

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Gepostet: 29.01.2014 - 22:38 Uhr  ·  #1
Boston, Massachusetts, eine Band, ein Album!



Tom Scholz war am MIT (Massachusetts Institute of Technology) eingeschriebener Student und begann während seiner Zeit dort '69 mit dem schreiben von Songs. Zu dieser Zeit entstand schon Foreplay. Er trat der Band Freehold bei, in welcher auch Barry Goudreau (Gitarre) und Jim Masdea (Schlagzeug) vertreten waren. Im folgenden Jahr holte man mit Brad Delp einen Sänger in die Gruppe. Nach seinem Abschluss arbeitete Scholz bei Polaroid und baute sich von dem Geld ein Studio im Keller seines Hauses. Er finanzierte damit auch Demotapes, welche in professionellen Studios aufgezeichnet wurden. Die Aufnahmen entstanden fast ausschließlich mit den genannten Musikern, wobei Scholz Gitarre, Bass und Keyboards spielte. Die Demos wurden allerdings von allen Plattenfirmen abgelehnt. 1973 gründeten die Jungs die Band Mother's Milk.

Die Gruppe trennte sich 1974, wobei allerdings Scholz, Masdea und Delp weiterhin an neuen Demos arbeiteten. Dabei enstanden More Than A Feeling, Peace Of Mind, Rock And Roll Band, Life Isn't Easy (später Something About You), San Francisco Day (später Hitch A Ride) und Don't Be Afraid. Mastermind Scholz spielte bis auf Schlagzeug alle Instrumente bei diesen Aufnahmen und baute dazu noch seine Effektpedale selbst.
Mit diesen Demo-Tapes erlangten sie die Aufmerksamkeit der beiden Promoter Paul Ahern und Charlie McKenzie. Zu der Zeit verließ Masdea die Band. Scholz sagte darüber, die Manager hätten darauf bestanden, Masdea zu ersetzen, ansonsten würde es zu keinem Deal kommen. Einige Jahre später äussert Delp gegenüber eines Jornalisten, das Jim Masdea im zu der Zeit erzählt hätte, er würde die Lust am Schlagzeugspiel verlieren. Die Promoter verschafften Scholz und Delp einen Deal mit Epic Records, welche zu CBS gehörten. Sie mussten zuvor aber noch einen Live-Auftritt vor den Bossen aufführen, wozu man sich schnell Goudreau, Bassist Fran Sheehan und Schlagzeuger Sib Hashian ins Boot holte, um den vielschichtigen Sound von Scholz auch Live bieten zu können. Sie konnten damit voll überzeugen und unterzeichneten einen Vertrag für 10 Alben über 6 Jahre. Die Plattenfirma wollte, dass die Band professionell in Los Angeles die Demos neu aufnahm, während Scholz dies in seinem Keller tun wollte. Auf seine Bitte hin spielte Masdea noch einmal die Drums für Rock And Roll Band und auch die restliche Instrumentierung des Albums wurde in Boston eingespielt. Diese Multitrack-Tapes wurden anschließend nach LA geschickt, wo Delp seine Gesangspassagen hinzufügte und John Boylan den Mix übernahm. So trixten sie Epic aus und Scholz konnte seine Ideen in aller Ruhe zuhause umsetzen.


Die Band 1977. Von links nach rechts: Barry Goudreau, Tom Scholz, Sib Hashian, Brad Delp, Fran Sheehan.

Boylan und sein Soundmann Warren Dewey schlugen den Namen Boston vor, welchen die Band dann annahm. Scholz war bis zuletzt skeptisch und war mit seinen 29 Jahren bereit, im Falle eines Scheiterns seine Rock-Träume aufzugeben. Am 25 August 1976 war es dann soweit, wobei Scholz bis zum verkauf von ca. 200.000 Alben weiterhin zweifelte. Erst danach gab er seinen Job bei Polaroid auf. Während seinem Vollzeit-Job dort hörte er More Than A Feeling erstmals im Radio.

Der "Boston Sound" entstand durch die Vorliebe des großen Machers für klassische Musik, ohrwurmfähige Melodien und kräftigen Gitarren-Rock von Gruppen wie den Kinks, Yardbirds oder auch von Blue Cheer. Viele AM und FM Radiosender spielten die Singles und so wurde der Stil von vielen AOR (Album Oriented Rock) Radiosendern aufgegriffen und führte dazu, dass einige Labels diesen Sound wegen seines Erfolgs kopieren wollten. So nannte man das ganze dann auch "Corporate Rock", was auch als Anschuldigung gegen die Band immer mal wieder angeführt wird. So oder so ist Boston eines der erfolgreichsten Debut-Alben der Geschichte und wurde nur von dem umstrittenen Guns N’ Roses Erstling Appetite for Destruction und dem Debut von Whitney Houston 1986 geknackt. Allein 17 Millionen Ausgaben wurden alleine in den USA bis heute verkauft, weltweit sind es sogar 20 Millionen und insgesamt Diamant-Status. Das ganze Album wird auf vielen Classic-Rock-Sendern gespielt.

Die erste Tour ging über 6 Wochen und führte sie durch die Klubs. Kurz darauf ging es über 10 Monate durch die kompletten USA. Die Jungs waren beeindruck von den Reaktionen da die Zuschauer durch das Radio die Songs kannten und fast alles mitsangen. Allerdings kamen sie bei einigen Bands für die sie Shows eröffneten nicht so gut an. In Milwaukee verloren sie ihren Auftitt, weil ein Disk Jockey sie als beste Band der Welt ankündigte und nicht die Headliner Foghat. Sie hatten auch bedenken, als sie vor Black Sabbath auftreten sollten. Allerdings kamen sie mit den Metal-Urvätern sehr gut aus, da Ozzy, Iommi, Butler und Ward keine Soundchecks machten. Laut Delp meinte Ozzy immer "Ahh, ihr wollt ein paar Songs spielen, macht nur". So hatten sie mehr Zeit auf der Bühne. 1977 waren sie dann selbst Headliner und zahllose Shows, selbst in großen Hallen wie dem Madison Square Garden waren ausverkauft, so dass sie dort gleich 3 Auftritte hatten. Selbst die etabliertesten Gruppen schafften dies nicht komplett von Küste zu Küste. Unter anderem eröffneten für sie Bob Seger And The Silver Bullet Band.

Das bis heute andauernde Sci-Fi-Thema auf den Album-Covers war das Konzept von Scholz, die Idee von "Flucht in einem gitarrenförmigen Raumschiff". Peace Of Mind ist beispielsweise inspiriert von den Chefs bei Polaroid. Bis auf Smokin' (zusammen mit Delp) und Let Me Take You Home Tonight (komplett von Delp) wurden alle Songs von ihm allein geschrieben.

Traurigerweise nam sich Brad Delp 2007 das Leben. Er hatte wohl zuerst versucht sich im Auto mit Kohlenmonoxyd zu vergiften, als dies nicht gelang nahm er sich zwei Grills mit ins Bad, klebte die Tür ab und schob unten noch ein Handtuch um alles abzudichten. Ziemlich abgefahrene Idee, welche leider mit Erfolg belohnt wurde :(

Das Cover von Roger Huyssen gefiel mir schon beim ersten Anblick und auch die Musik wusste sehr schnell zu überzeugen, besonders die erste Seite und Smokin'. Den Nachfolger hab ich ganz selten gehört und mich interessiert alles nach Don't Look Back sowieso nicht mehr sonderlich. Ein Live-Album aus der frühen Phase würde ich allerdings nicht verschmähen :?

Band
Gitarre, Keyboard: Tom Scholz
Gesang: Brad Delp
Lead-Gitarre: Barry Goudreau
Bass: Fran Sheehan
Schlagzeug: Sib Hashian
Produktion: John Boylan , Tom Scholz

Songs

Side 1
"More Than a Feeling" – 4:44
"Peace of Mind" – 5:02
"Foreplay/Long Time" – 7:47

Side 2
"Rock & Roll Band" – 3:00
"Smokin'" – 4:22
"Hitch a Ride" – 4:12
"Something About You" – 3:48
"Let Me Take You Home Tonight" – 4:44

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Meister Proper
 
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Re: Boston - Same (1976)

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Gepostet: 29.01.2014 - 22:55 Uhr  ·  #2
Super Beitrag ://
Aber:ich glaube es heißt Adult Oriented Rock.
Album Oriented Rock Sender gibt es aber dennoch.
Das Erstlingswerk von Boston kann man aber sicherlich beiden Sendeformaten zuschreiben.
Stattmeister
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Re: Boston - Same (1976)

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Gepostet: 30.01.2014 - 11:44 Uhr  ·  #3
Sehr interessante Review, Rainer! Danke dafür. Habe ich mit Interesse gelesen, da ich erst in der letzten Woche die Scheibe mal wieder rausgekramt hatte. Finde ich unverändert klasse.
hmc
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Re: Boston - Same (1976)

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Gepostet: 30.01.2014 - 13:04 Uhr  ·  #4
Wunderbare Rezi einer Platte, die nicht wenige unter uns beeinflusst haben könnte.

Mich verbinden viele schöne Erinnerungen an das Werk, das nicht nur "More than a feeling" zu bieten hat.
Foreplay/Long time ist für mich der Überfleiger des Albums.
Mr. Upduff
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Re: Boston - Same (1976)

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Gepostet: 30.01.2014 - 13:25 Uhr  ·  #5
Zitat geschrieben von hmc

Wunderbare Rezi einer Platte, die nicht wenige unter uns beeinflusst haben könnte.

Mich verbinden viele schöne Erinnerungen an das Werk, das nicht nur "More than a feeling" zu bieten hat.
Foreplay/Long time ist für mich der Überfleiger des Albums.

...empfinde ich ganz genau so...und die Gitarrensolos der anderen Tracks sind zudem schon erste Güte...

...der Rest des Albums ist m.E. allerdings aus heutiger Sicht schon sehr abgehangener 08/15-Rock...
Floyd Pink
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Re: Boston - Same (1976)

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Gepostet: 30.01.2014 - 14:07 Uhr  ·  #6
Zitat geschrieben von Meister Proper

Super Beitrag ://
Aber:ich glaube es heißt Adult Oriented Rock.
Album Oriented Rock Sender gibt es aber dennoch.
Das Erstlingswerk von Boston kann man aber sicherlich beiden Sendeformaten zuschreiben.



Das stimmt, AOR steht für "Adult Oriented Rock", also nicht zu hart, nicht zu laut, nicht zu schrill, nicht zu bunt, nicht zu poppig, sondern alles irgendwie nivelliert, aber in edler Aufmachung.
Und die o.g. Scheibe ist ein Musterexemplar dieser Gattung.
Tom Cody
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Re: Boston - Same (1976)

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Gepostet: 30.01.2014 - 15:23 Uhr  ·  #7
Eine äußerst gelungene Vorstellung - detailliert und sehr informativ! :// Vielen Dank dafür, Rainer!

Boston als Band hat mich jedoch nie begeistert. Einige Tracks finde ich nett, aber komplette Alben eigentlich nicht. Das von Dir vorgestellte Werk ist sicherlich ihre beste Tat. Der Nachfolger "Don`t Look Back" folgt danach - aber schon mit großen Abstrichen.
sunny
 
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Re: Boston - Same (1976)

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Gepostet: 30.01.2014 - 15:50 Uhr  ·  #8
Wow Rainer, welch eine Vorstellung von Boston.
Vielen Dank!

Die Scheibe finde sehr gelungen, bedauere noch heute keinen Gig gesehen zu haben.
Möglichkeiten waren da, doch die schmale Geldbörse sagte nein.
Heute ist die schmale Geldbörse immer noch da, würd mir aber nicht mehr passieren. :D
Scoot
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Re: Boston - Same (1976)

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Gepostet: 30.01.2014 - 18:01 Uhr  ·  #9
Zitat geschrieben von hmc

Wunderbare Rezi einer Platte, die nicht wenige unter uns beeinflusst haben könnte.

Mich verbinden viele schöne Erinnerungen an das Werk, das nicht nur "More than a feeling" zu bieten hat.
Foreplay/Long time ist für mich der Überfleiger des Albums.


So würde ich das auch beurteilen.
Danke !
Rainer The Mage
 
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Re: Boston - Same (1976)

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Gepostet: 30.01.2014 - 18:26 Uhr  ·  #10
Ich hab mich mit dem Begriff AOR nicht wirklich auseinandergesetzt, allein das z.B. auch REO Speedwagon dazugehören, dass wusste ich ;)

Hat auch Spaß gemacht, sich mal die Hintergründe genauer anzuschauen. Die Platte und diese Art der Rock-Musik polarisiert ja auch etwas und so hat es sich auch gut gelohnt, denn die Platte kennen doch viele. Leider ist der Output doch recht überschaubar und zumindest für mich haben sie dann auch nachgelassen...
frimp
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Re: Boston - Same (1976)

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Gepostet: 30.01.2014 - 22:14 Uhr  ·  #11
Sicherlich wurden Boston damals ordentlich gehyped. Mir waren sie immer zu perfekt, zu glatt, und ich hasse Handclaps. Davon abgesehen ist Foreplay/Long Time ganz OK.
xanadu
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Re: Boston - Same (1976)

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Gepostet: 30.01.2014 - 22:47 Uhr  ·  #12
Super Vorstellung dieser Scheibe, für mich auch kein Überflieger, aber ich sehe es aufjedenfall als Meilenstein der Rockmusik.
Wie die anderen schreiber vor mir ist Foreplay/Long Time mein liebster Song hier drauf.

Am Samstag habe ich "fremd" aufgelegt und hier More than a Feeling gespielt. Immer noch ein großer Hit und wenn man es laut hört kommt das Feeling wahrlich rüber.
holger_fischer
DJ
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Re: Boston - Same (1976)

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Gepostet: 08.02.2014 - 15:00 Uhr  ·  #13
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