Heute habe ich diese CD bekommen... und selten habe ich so ein meisterhaftes und abwechslungsreiches Progalbum gehört: von folkig über ELPesquen Prog, Hammonddominierten Jazz, italienische Folklore und Hard-Rock - alles ist dabei: stets kurzweilig und perfekt und geschickt arrangiert.
Los geht es mit dem mittelalterlichen In Volo, einer zweiminütigen Einleitung, die mit surrenden Hammondklängen eingeleitet wird und dann ein barockes Thema von Spinett und Blockflöte übernimmt, zu dem sich zuerst Nocenzis Sprechgesang und nach weiteren surrenden Orgeltönen DiGiacomos Tenor begibt. Weitere Orgelklänge verbinden diesen Auftakt mit dem treibenden Rocker RIP. Kritikpunkt: live ist der Übergang besser und akurater. Dafür wird man durch einen spektakulären 10/4-Rocker entschädigt: ein krummes, rasendes Riff wird von der jazzigen E-Gitarre und dem Klavier gespielt, dazu rumpelt der Bass und das Schlagzeug. Aggressiv schreit nun Di Giacomo den ebenso aggressiven Text ins Mikrofon, nun gesellt sich eine röhrende Hammond dazu. Zwischendrin gibt es jaulende Gitarrensoli und klassisches Klavierspiel, bis die Stimmung wechselt: der zweite Teil ist elegant, sinfonisch, nicht aber bombastisch und besteht am Anfang nur aus Gesang mit Klavierbegleitung, die das Stück mediterran und emotional fortführen; nun kommt langsam die ganze Band dazu und sorgt für den sinfonischen Charakter.
Nach 6 Minuten ist dieser Knaller vorüber, man kann nochmal ein paar mal bis zum nächsten Meisterwerk durchatmen:
Das nächste Stück ist eine Minute lang und ein mit textlosem Gesang unterlegtes Spinettsolo, genannt Passagio. Das Stück beginnt genauso wie es endet: mit Schrittgeräuschen und raschelndem Notenpapier.
Metamorphosi ist mit guten 10 Minuten der erste Longtrack auf der CD und bietet gerade den Keyboardproggies gute Unterhaltung: jazzige Passagen mit duellierenden Orgeln und Gitarren wechseln sich mit krummen Klavierabschnitten ab, hier ein wenig krummes Gefricke, da etwas melancholischer Folk mit Rock- und Klassikeinlagen; und am Ende kommt dann auch noch der Operntenor von Di Giacomo dazu, der dem Stück dann sein Symphoproggiges Sahnehäubchen aufsetzt. Das war der krummere Longtrack, jetzt kommt direkt der athmosphärische Longtrack, das 19minütige Epos Gardino del Mago, das auf einer dissonanten, schwebenden Orgellinie basiert, die im Laufe des Stückes in allen möglichen Intensitäten als ein kurzes Mittelmeerstückchen mit Wechseltakt und Klarinette auftaucht, und abundzu durch Giacomos Gesang mit Geigenbegleitung und froh holperndes Schlagzeug abgelöst wird. Auch hier gibt es treibende Passagen, wobei besonders der düstere Chorgesang am Anfang, die Synthesizereskapaden am Ende und die akuraten Pausen der Band, um eine bestimmte Linie eines anderen Instruments hervorzuheben, zu loben sind. Eine detaillierte Beschreibung würde wie beim Vorgängerlongtrack zu lange dauern, so spannend und abwechslungsreich ist dieses Stück: alle Merkmale, die ein Stück zu einem proggigen Stück werden hier auf den Punkt und ohne zu langweilen, angewandt; und das nicht als lange Improvisation, sondern als ausgefeilt durchkomponiertes Epos. Toll, Herr Nocenzi!
Traccia ist das Schlussstück des Albums und ist mit schnell klopfendem Schlagzeug, Hammondorgel und tollem Chorgesang das bombastische Coda für den "Gardino". Nach schnellen Hammondlinien ist das Finale nach zwei Minuten dann vorüber, sollte aber schon ein Jahr später in ähnlicher Form variiert werden...
Mir gefällt dieses Album etwa gleich gut als "Io Sono Nato Libero";bei "Io" ist zwar der Klang steriler, dafür aber die Musik ausgefeilter.
Für beide gibt es selbstverständlich die Volle Punktzahl, da sie in ihrer Gesamtheit perfekt sind.
Eine riesige Empfehlung an jegliche Proggies.
Als Teaser eine Aufnahme von "RIP" mit recht bescheidener Qualität... von Hammondorgel und Gitarre merkt man hier recht wenig. :rolleyes:
Dennoch: click!
Anmerkung: Ich habe den Remix aus 2001, der in einem edlen Digipack daherkommt; die vergoldete, durchsichtige CD passt sehr gut zur Musik darauf .. ;)