Tony Banks - A Curious Feeling

 
TO
 
Avatar
 
Betreff:

Tony Banks - A Curious Feeling

 · 
Gepostet: 15.05.2008 - 11:30 Uhr  ·  #1
Tony Banks - A Curious Feeling
(1979)

Tony Banks muss sich sicherlich manchmal etwas seltsam vorkommen. Phil Collins war in den 80ern einer der größten Popstars, er hat in neueren Tagen einen Soundtrack für Disney gemacht und bekam sogar einst zwei Grammys für "No Jacket Required" (Produktion und Gesang (!!) - etwas, was Genesis nie gelang). Peter Gabriel war mehr das künstlerische Gegengewicht zu Collins, er verlegte sich auf extrem erfolgreichen aber durchaus anspruchsvollen Pop und verkaufte ebenfalls Millionen von Alben. Mike Rutherford hingegen versuchte es einfach nur mit wohlklingendem simplem Pop und war damit ebenfalls über Maßen erfolgreich und produzierte ein, zwei Ohrwürmer, die man immer wieder gerne hört. Steve Hackett ist von allen Genesismitgliedern einem progressiven Ansatz am ehesten treu geblieben und wenn er auch nicht zu den großen Topsellern zählt, kennt und mag man viele seiner Alben.

Doch wer ist Tony Banks? Er war (oder ist? - vielleicht gibt es ja doch irgendwann ein neues Album) unbestritten die kreative Hauptkraft bei Genesis, sozusagen einer der Eckpfeiler des Genesis-Sounds. Was auch seine Bandkollegen einhellig bestätigen.

Doch während seine Bandkollegen allesamt erfolgreiche Solopfade beschreiten, blieben Banks' Werke wie Blei im Regal liegen. Wahrscheinlich wissen die meisten gelegentlichen Progrock-Hörer gar nicht, dass Banks überhaupt Soloalben hatte.

Tony Banks frustrierte das so sehr, dass er mittlerweile gar keine Soloalben mehr veröffentlicht. Einen letzten Versuch gab es in den 90ern mit "Strictly Inc." wo Banks unter Pseudonym auftreten wollte. Nur dass die Plattenfirma nichts schnelleres tat, als einen Sticker auf das Album zu kleben, wo sein Name auftaucht. Das Album floppte natürlich auch, obschon es durchaus lohnenswertes bietet.

Dass Tony Banks' Soloalben (es gibt durchaus einige) dermaßen erfolglos sind, liegt hauptsächlich daran, dass er stets versucht hat, massenkompatible Popmusik zu schreiben. Er hatte mit Nik Kershaw oder Fish sehr illustre Gastsänger, mal versuchte sich Banks auch selbst als Sänger. Am Ergebnis änderte das nie etwas: seine Popmusik war meist farblos und langweilig und extrem erfolglos. Ein Teil des Niedergangs von Genesis mag auch darin begründet liegen, dass Tony Banks wohl auf Gedeih und Verderb erfolgreiche Popsongs schreiben wollte.
In Kooperation mit Collins und Rutherford war ihm das in den 80ern durchaus gelungen. Doch auf sich allein gestellt gelang ihm das nie.

Nach dieser langen Vorrede mag es seltsam anmuten, dass es 1979 durchaus viel versprechend für Tony Banks' Solokarriere anfing. Der Sinn dieser Einleitung: wer vielleicht Tony Banks aus den 80er Jahren kennt oder mal etwas von Bekannten und Freunden über seine Alben gehört hat und der Meinung ist, nicht mal mit Handschuhen ein weiteres Banks-Album anzufassen, sollte zumindest eine Ausnahme machen.

Nach "...and then there were three" und den akuten Ehe- und Alkoholproblemen von Phil Collins einigte sich Genesis auf ein freies Jahr. Collins wollte sein Leben und seine Ehe in den Griff kriegen (und sammelte dabei erste Ideen für sein Debutalbum), während Mike Rutherford und Tony Banks ihre ersten Soloalben produzierten. "A Curious Feeling" ist ein Konzeptalbum mit einer recht seltsam anmutenden Geschichte... etwas, das man im Proggenre kennt und liebt und es sollte durchaus aufhorchen lassen.

Banks erzählt auf seinem Album die Geschichte eines Mannes, der einst als Kind eine Wette mit dem Teufel einging und schwor, sich niemals in eine Frau zu verlieben. Als der Mann sich Jahre später dann schließlich doch verliebt (und die Wette mit dem Teufel vergessen hat) fordert die Wette ihren furchtbaren Tribut...

"A Curious Feeling" klingt zwar nicht so wie die alten Genesis klangen, Banks vermischt die Sounds von "Wind And Wuthering" und "...and then there were three" und läßt viel von "Duke" schon vorausahnen, doch Banks setzt das Thema mit sehr viel Gefühl und Stilsicherheit um. "A Curious Feeling" ist das Album, auf dem man am besten den Einfluß von Tony Banks auf Genesis heraushören kann, könnten einige der Stücke doch ohne aufzufallen auf oben erwähnten Genesisalben auftauchen.

Es gibt mit "From The Undertow" einen sehr schwermütigen Einstieg auf dem Piano in das Album, es gibt bombastisch angelegte Instrumentals wie "Forever Morning" und "The Waters Of Lethe", mit "You" gibt es einen herausragenden Song, der zuerst recht getragen beginnt um dann plötzlich in der Mitte des Liedes zu explodieren und in einen mitreißenden Instrumentalteil übergeht, der Tony Banks in Höchstform zeigt und auf jedem Genesis-Album begeistert hätte.

Daneben gibt es auch sehr eingängige, durchaus dem Pop zuzurechnende Songs wie "Lucky Me", das einen sehr cleveren Text hat und wirklich gut klingt.

Tony Banks zeigt auf dem Album, dass er Pop gekonnt mit Progrock verbinden kann. Seine Popeinflüsse sind hier bar jeder Banalität und seine Progwerke zeigen, welch herausragenden Progrock er auch damals imstande war, zu schreiben.

Warum diese Progeinflüsse dann immer mehr schwanden ist eigentlich nur mit dem Zeitgeist zu erklären. Hätte Tony Banks die Linie seines ersten Soloalbums fortgesetzt hätte er gewiss einen Status wie heutzutage Steve Hackett erreichen können.

Ich kann "A Curious Feeling" jedem Fan von Genesis und jedem Fan von keyboarddominierten Konzeptalben der etwas schwermütigen Sorte nur empfehlen.

Tony Banks ließ sich auf seinem Debüt von Kim Beacon am Gesang (Banks singt nicht selbst) und dem damaligen Liveschlagzeuger von Genesis, Chester Thompson, unterstützen. Banks spielt ansonsten alle Instrumente selbst. Also auch die Saiteninstrumente. Aber die spielen eh nur eine untergeordnete Rolle im charakteristischen Pianosound von Banks. Auch die Keyboards sind übrigens geschmackvoll ausgesucht. Es gibt keinerlei Plastikklänge wie in den späten 80ern.

Das Album atmet noch den Geist der 70er und ist der etwas wehmütige Beweis, dass Tony Banks zweifellos ein begabter Komponist ist.
Er hätte halt danach nicht versuchen sollen, mehr Alben als Phil Collins zu verkaufen. Tony Banks ist jemand, der für komplexe Musik geschaffen ist. "A Curious Feeling" ist der überzeugende Beweis.

11/15 Punkte
firebyrd
Labelboss
Avatar
Geschlecht: keine Angabe
Herkunft: Hausgeburt (Ausgeburt?)
Beiträge: 36978
Dabei seit: 05 / 2006
Betreff:

Re: Tony Banks - A Curious Feeling

 · 
Gepostet: 15.05.2008 - 12:35 Uhr  ·  #2
eine der Scheiben der Rubrik "ganz nett, aber brauche ich nicht", mit 9/15.
hmc
Produzent
Avatar
Geschlecht:
Herkunft: NRW
Alter: 67
Homepage: tt-bruchhausen.de
Beiträge: 15724
Dabei seit: 04 / 2006
Betreff:

Re: Tony Banks - A Curious Feeling

 · 
Gepostet: 15.05.2008 - 12:38 Uhr  ·  #3
Ich kenne sie nicht einmal. Interesse hätte ich aber schon.
Gewählte Zitate für Mehrfachzitierung:   0

Registrierte in diesem Topic

Aktuell kein registrierter in diesem Bereich

Die Statistik zeigt, wer in den letzten 5 Minuten online war. Erneuerung alle 90 Sekunden.