Die alten Sachen von Tony Joe fand ich alle sehr toll.
Doch sein letztes Album fand ich grauenvoll.
Das schrieb ich letzten September dazu:
Beim ersten Hören von Tony Joe Whites neuer Scheibe "Uncovered" dachte ich noch, ich könne meinen Ohren nicht trauen. Flache Produktion, kaum Tiefgang, wenig zu spüren von organischer Wärme oder sogenanntem Southern-Soul. Alles so völlig untypisch für Tony Joe.
Eingedenk seiner frühen Scheiben aus den Jahren 1969 bis ca. 1974, die ich sehr liebe, klingt "Uncovered" eher wie ein zusammengeschusterter und mühsamer Versuch, die alten Zeiten wieder aufblühen zu lassen. So dünn und meilenweit weg von analoger Wärme und fesselnden Songs.
Ich möchte die Defizite dieses Albums natürlich nicht nur an Produktion bzw. Klang festmachen, das wäre zu einfach, denn Whites letztes Werk, "The Heroines", klang auch schon ein wenig nach homerecording, auch wenn ich es damals nicht so unterstrichen habe. Tony Joes Sohn Jody hat auch diesmal wieder mit Vattern gemeinsam produziert, keine Ahnung ob auch wieder im heimischen Kellerstudio. Das Ergebnis jedenfalls fällt im Gegensatz zum 2004er-Album ziemlich ernüchternd aus. Hier fehlt einfach die Vitalität, die Tony Joe zumindest 2004 noch aufbringen konnte. Ganz abgesehen davon, dass White einige seiner betagten Standards wie Rainy night in Georgia oder Did somebody make a fool out of you erneut bemüht. Fehlt ihm die Inspiration zu neuen Songs?
Waren es 2004 noch ein paar stimmkräftige und charismatische Ladies, wie z.B. Shelby Lynne oder Emmylou Harris, tauchen 2006 plötzlich Tony Joe Whites alte Kumpels Mark Knopfler, Eric Clapton, J.J. Cale, Waylon Jennings und Michael McDonald auf, um mit dem alten Fahrensmann gemeinsame Sache zu machen.
Prinzipiell ein schönes Line-Up, alles Leute die ich mag. Doch gerade in Sachen Gesang scheinen alle ausser Eric Clapton nicht unbedingt ihren besten Tag erwischt zu haben. Klar, Tony Joe White ist ein Grummler vor dem Herrn, Mark Knopfler und J.J.Cale sowieso, aber Whites Stimme ist derart kraftlos, dass es schon erschreckend ist. Solange er in den tiefen Lagen haucht und grantelt geht es noch in Ordnung, doch sobald er ein, zwei Töne höher anstrebt, versäuft er ständig in diesen flachen Gewässern. Oh, das tut mir richtig leid. Was ist da bloß los gewesen? Einen Song wie Rebellion kann ich mir kaum anhören. Das Duett mit Michael McDonald (dessen Stimme ich schon seit seinen frühen STEELY DAN-Tagen mag) ist total verunglückt. Die beiden Kumpels passen nun gesanglich überhaupt nicht zusammen.
Der Opener des Albums, Run for cover, der mit netten Bläsern und Tony Joes unnachahmlichen Groove daherkommt, befriedigt zwar die Erwartungen noch, die Kollaborationen mit Knopfler und Clapton treffen auch noch meinen Nerv, aber alles Nachfolgende wirkt auf mich völlig uninspiriert. Das Duett mit Kollege J.J.Cale (Louvelda), der ja in der Tat die gleiche musikalische Strategie verkörpert, geht vor lauter Tranigkeit völlig an mir vorbei. Nichts gegen diesen Laid-back-Groove, der ist normalerweise von bezaubernder Natur, doch hier fallen die gutgemeinten Absichten ins Bodenlose.
Ich kann's eigentlich immer noch nicht fassen, dass ich einen Helden wie Tony Joe White verreissen muss. Aber "Uncovered" bleibt, bis auf wenige Ausnahmen, auch nach mehrmaligem Hören ein Fehlschlag. Ich bin enttäuscht.
Frank Ipach, (Impressum, Artikelliste), 11.09.2006