Hier meine Sicht der Alben.
Transatlantic - SMPTE - Bridge Across Forever
(2000 - Morse, Portnoy, Stolt, Trewavas)
Unter Transatlantic haben sich nicht geringere Leute als Neil Morse von Spock's Beard, Roine Stolt von den Flower Kings, Pete Trewavas von Marillion und Mike Portnoy von Dream Theater zusammengefunden. So geballte Kompetenz in Sachen Progrock weckt natürlich sehr große Erwartungshaltungen.
Die meisten Stücke auf dem Album wurden unter Federführung von Neil Morse komponiert - das Ergebnis erfüllt die Erwartungen, die die Namen wecken. Um es knapp zu formulieren: Man stelle sich Spock's Beard mit Flower Kings Touch vor, und man erhält Transatlantic.
Während Spock's Beard mir zumindest (vielen ergeht es anders) nicht ganz so gut gefallen, hat dieses Album voll bei mir eingeschlagen - obwohl die Melodien (da von Morse zumeist geschrieben und gesungen) sehr nach Spock's Beard klingen, aber vielleicht geben ja die anderen Mitstreiter und die reicheren Arrangements den Ausschlag.
Das Album bietet 5 Tracks, wovon das erste Stück "All Of The Above" es auf schlappe 31 Minuten Spieldauer bringt, es folgen zwei etwas kürzere Lieder und die letzten zwei Stücke sind jeweils knapp 16 Minuten lang.
Der Opener "All Of The Above" beinhaltet alle Zutaten des Progrocks, ein sehr üppiges Arrangement, viele Keyboard und E-Gitarrensoli und komplexe Strukturen.
Es folgt eine stille Ballade von Morse - "We All Need Some Light" ist sehr schön geraten und nach dem bombastischen Beginn ein wohltuender Kontrast.
"Mystery Train" klingt sehr nach Spock's Beard und ist flott geraten, im Hintergrund erwecken Keyboardsounds wohlige Erinnerungen an "Trick Of A Tail" von Genesis.
Mit "My New World" folgt das einzige Stück, das unter Federführung von Roine Stolt entstanden ist, demzufolge klingt es auch am meisten nach den Flower Kings. Roine Stolt übernimmt hier auch das einzige Mal den Leadgesang. Es folgen die beinahe obligatorischen Instrumentaleinlagen, ein etwas ruhigerer Mittelteil, ein nettes Solo von Neil Morse an den Keyboards und ein abschließender Gesangsteil.
Abschließender Höhepunkt des Albums ist aber eine Coverversion von Procol Harums "In Held (Twas) In I". Da ich das Original nicht kenne, kann ich nicht sagen, wie getreu oder anders die Version hier ist, sie klingt auf jeden Fall großartig. Zu Beginn gibt es eine kleine Erzählung, dann folgt der Gesangsteil und die letzten knapp 10 Minuten gibt es den hochklassigen Instrumentalteil, der mal sehr dynamisch und dann zum Ende hin eher ruhiger wird, mit schönem E-Gitarreneinsatz von Stolt (untermalt von den wohlbekannten Mellotronklängen).
Transatlantic lohnen den Kauf auf jeden Fall, hier sind allesamt Profis am Werk, die mit ihren eigenen Gruppen mehr oder minder schon Meisterwerke des Progrocks hervorgebracht haben. Trewavas und Portnoy haben auf die Musik der Band keinen gar so großen Einfluß. Kopf des Projektes ist eindeutig Neil Morse. Wer Spock's Beard mag, sollte sofort zugreifen, wer die Band nicht so sehr mag sollte auf jeden Fall einmal reinhören. Das Album ist sehr gut gelungen und sollte die Erwartungen jeden Progfans voll erfüllen.
13/15 Punkte
Bridge Across Forever
(2001 - Morse, Portnoy, Stolt, Trewavas)
Ich habe "Bridge Across Forever" doch recht sehnlich erwartet. Allein die Tracklist des Albums ließ so manches hoffen und weckte Erwartungen. Es sind immerhin zwei Tracks mit über 26 Minuten Spiellänge auf der CD, dazu eines über 14 und nur ein kurzes Werk. In Progkreisen wird die Qualität eines Liedes ja gerne an der Spieldauer gemessen, ganz gefeit bin ich manchmal gegen diese Gewohnheit auch nicht.
Transatlantic lassen auf dem Album spüren, daß Neil Morse, Roine Stolt, Pete Trewavas und Mike Portnoy sehr viel Spaß miteinander haben. Der Funke springt über und man kann die Freude auf dem Album förmlich hören. Daß die Musiker neben aller Freude natürlich gewissenhaft zu Werke gehen ist selbstverständlich.
Musikalisch haben sich Transatlantic im Vergleich zum Debut in der Hinsicht weiterentwickelt, daß es nun etwas mehr Zeit gab, Ideen zu entwickeln und die Lieder im Studio aufzunehmen. Das Album klingt als Gesamtwerk viel harmonischer als das Debut, das von der Anordnung der Lieder etwas zerrissen wirkte. Neil Morse hat sich offensichtlich den Ideen seiner Mitstreiter mehr geöffnet. Zwar kann man immer noch recht genau erkennen, was ursprünglich auf Neil Morse zurückgeht und was Roine Stolt als Grundidee eingestreut hat, doch die einzelnen Lieder klingen nun nicht mehr einfach nur nach entweder nur "Spock's Beard" oder "The Flowerkings" sondern eher nach "Spock's Flowers".
Wie schon auf dem Debut bleibt auch hier festzuhalten, daß von Trewavas und Portnoy nicht wirklich viel an kompositorischen Einfluß zu spüren ist.
Transatlantic zelebrieren auf ihrem Album Progrock in Reinkultur. Spielfreude, Bombast, gefühlvolle Passagen und Virtuosität zeichnen die Tracks aus.
Transatlantic haben wohl versucht, die Essenz des Progrocks auf die CD zu bannen. Es ist ihnen durchaus gelungen.
Dennoch ist nicht alles Gold, was auf dem Album glänzt. Ich denke, es hätte vor allem den beiden überlangen Liedern manchmal gut getan, etwas gestrafft zu werden. Im Grunde genommen leben die Longtracks von wenigen Ideen, ja, das ganze Album lebt nur von wenigen Ideen.
Dort wo Genesis z.B. in Supper's Ready einen ganzen Jahrmarkt an Ideen verarbeitet haben ist es bei Transatlantic allenfalls ein einzelner Jahrmarktsstand. Nun ist es nicht unüblich in der Musik und gerade im Progrock, gewisse wiederkehrende Leitthemen zu haben. Aber hier fiel mir doch auf, daß Transatlantic manches Lied zu sehr strecken, man hat stellenweise versucht, zu viel aus den wenigen (guten) Ideen herauszuholen. So nimmt "Stranger In Your Soul" nicht nur das Cellointro von "Duel With The Devil" in anderer Tonlage auf, es taucht auch wiederum ein Thema der "Suite Charlotte Pike" im Lied auf. Es gibt durchs Album hindurch immer wieder Referenzen zu den gleichen musikalischen Grundthemen. Was mir dabei nicht so gefällt: man arrangiert die Ideen mitunter zu Tode. Ich finde z.B. "Stranger In Your Soul" mindestens 7 oder 8 Minuten zu lang, weil dann einfach nichts neues mehr kommt. Nach einer Weile werden in den beiden Longtracks keine neuen Ideen mehr gebracht, man arrangiert sie immer nur wieder um. Hier eine Orgelpassage, da ein Gitarrenjam, manchmal etwas Improvisation, doch immer wieder schält sich das gleiche Thema heraus.
Das soll nicht heißen, daß das Album schlecht geworden ist. Ich glaube nur, daß Transatlantic es diesmal vielleicht ein klein wenig übertrieben haben - es sind einfach zu wenig Ideen für die Dauer der Lieder bzw. die Dauer des Albums. Sie kompensieren das mit ihren Arrangements und Spielfreude, aber es fehlt doch hier und da an Substanz. Ansonsten ist das Album schon beinahe ein Archetyp des Progrocks.
Eine Ausnahme auf dem Album bildet das Titellied. Es ist eine kurze und gefühlvolle Pianoballade von Neil Morse. Das mag zwar mehr auf ein Neil Morse Soloalbum passen, aber es ist ein wundervolles Lied und ich möchte es nicht missen.
Ansonsten zeigen Transatlantic auch wieder Mal den Einfuß der Beatles. Dies hört man vor allem bei "Suite Charlotte Pike", das eine recht lockere Ansammlung von Ideen ist und mit dem Harmoniegesang doch sehr an die Fab 4 erinnert.
In der Limited Edition gibt es noch eine Zusatz-CD mit teilweise interessanten Bonus-Tracks. So eine Version von "Shine On You Crazy Diamond", Demobits von Roine Stolt und diversen kleinen Stücken, die in Studiopausen entstanden sind und vor allem den Spaß vermitteln, den die Band hatte.
Was bleibt als Fazit stehen? "Bridge Across Forever" ist ein gutes Progalbum geworden. Es klingt gereifter und harmonischer als das Debut. Aber es zeigt sich auch, daß es im Prinzip zu wenige musikalische Ideen auf dem Album gibt, um Monsterepen zu schaffen. So lebt das Album in weiten Teilen auch vom Wiederholen eines Themas, von immer wieder variierten Arrangements der Leitmotive. Doch Transatlantic schaffen es, damit davonzukommen. Das Album lohnt auf jeden Fall den Kauf auch wenn es nicht der vielleicht erhoffte Klassiker ist. Wer Spock's Beard überhaupt nicht mag sollte allenfalls vorher reinhören.
13/15 Punkte