Bruce Springsteen - The Ghost Of Tom Joad / Folk / USA 1995 / Spielzeit 50:16
Pfui Deibel – die Neunziger. Und dann auch noch der Springsteen. Heißt – die in den 70ern Steckengebliebenen sowie Bruce-Vorurteilsbehafteten könnten gleich wegklicken.
Oder doch nicht?
Bruce Springsteen! Das ist Der Boss. Das ist Born In The USA. Das ist der Millionen-Plattenverkäufer.
Und das ist der, der sich des Öfteren kritisch mit den USA und dem American Way Of Life auseinandersetzt. Den Loosern und Underdogs ein Gesicht gibt. Die düsteren Seiten des Jeder-Kanns-Schaffen-Landes aufzeigt.
Dies hat er nie so laut und deutlich gemacht wie mit dem 1995 erschienen Album „The Ghost Of Tom Joad“. Wüsste der Hörer nicht, dass es sich hier um Springsteen handelt – es wäre bei flüchtigem Hinhören wohl nur an der Stimme erkennbar.
Tom Joad. Das ist die Hauptfigur des Romans „Früchte des Zorns“ von John Steinbeck, ausgezeichnet 1940 mit dem Pulitzer-Preis. Eine erste Verfilmung fand 1940 statt (Regie: John Ford / Henry Fonda als Tom Joad / John Carradine als Jim Casy / Jane Darwell als Mutter).
Der Roman diente dem Album „Dust And Dreams / 1991“ der Gruppe Camel als Vorlage für eben dieses Konzeptalbum, und bereits vor Springsteen widmete der Folksänger Woody Guthrie der Romanfigur Tom Joad eine Ballade. Das hier vorgestellte Album letztendlich erhielt 1997 mit dem Grammy eine Auszeichnung als „Best Contemporary Folk Album“.
Kurzinhalt, entnommen wikipedia:
Als nach einer längeren Dürre die Farmerfamilie Joad in Oklahoma ihre Schuldzinsen nicht mehr bezahlen kann, wird sie von den Grundbesitzern vom nur mehr in Pacht bewirtschafteten Land vertrieben. Auf Handzettel hin, auf denen gut bezahlte Arbeit als Landarbeiter in Kalifornien versprochen wird, macht sich die Familie wie hunderttausend andere mit einem schrottreifen Lastwagen auf den Weg nach Westen. Neben den Eltern reisen die Großeltern, der Onkel, die erwachsenen Söhne Tom, Al und Noah, die schwangere Tochter Rose of Sharon (Anspielung auf die biblische Rose von Scharon) mit ihrem jungen Mann Connie, die Kinder Ruthie und Winfield und der Wanderprediger Jim Casy. Die Großeltern verkraften den Verlust der Heimat nicht und sterben bereits auf der beschwerlichen Fahrt. Noah und Connie laufen davon. Der Vater verliert resignierend seine Führungsrolle immer mehr an die Mutter, die mit aller Kraft ein Auseinanderbrechen der Familie zu verhindern versucht. Tom, der wegen Totschlags im Gefängnis gesessen hatte und gerade erst auf Bewährung entlassen worden war, ist eine weitere Stütze.
The Ghost Of Tom Joad. Ein Werk weit abseits der bislang bekannten Springsteen-Alben. Wenngleich es häufig in einem Zug mit seinem Album „Nebraska“ genannt wird, sticht es doch im Vergleich damit und nach mehrmaligem Hören weit hervor.
Minimalistisch sein Gesang, ganz verhalten die spartanische Instrumentierung, leise und klagend die akustische Gitarre oder die einsetzende Mundharmonika. Oft nur im Hintergrund ist der Bass zu hören, und letztendlich wird fast jeder Song nach kurzer Einspielzeit durch Keyboardklänge melancholisch getragen.
Der typische Springsteen-Hörer mag nach dem ersten Durchgang verstört, erschreckt oder enttäuscht zurückbleiben. Folkhörer, die möglicherweise zufällig an dieses Album geraten sind, dürften gleich in dessen Bann geraten. Zwölf Songs voll düsterer, leiser Schönheit zerren die dunklen Seiten des American Dream gerade durch den minimalistischen Gesang sowie die zurückhaltende Instrumentierung ins Bewusstsein des Hörers.
Das Thema „Tom Joad“, gewuchtet aus dem Roman in die „Neuzeit“, zieht sich nicht vollständig durch das Album. Aber es war wohl der Auslöser für all die kleinen Stories des Albums, die sich mit den Outlaws, den Verlierern oder Vergessenen des American Way Of Life auseinandersetzen.
The Ghost Of Tom Joad
„Straight Time“ beschreibt das Leben eines ehemaligen Strafgefangenen, dem es auch nach vielen Jahren nicht gelingt, in ein “normales”, bürgerliches Leben zurückzufinden
Straight Time
Heute aktueller denn je „Sinaloa Cowboys“, ein Stück, welches sich mit dem Schicksal illegaler Einwanderer beschäftigt und mehr als geeignet dazu scheint, den Text auf aktuelle Flüchtlingskrisen der Welt umzuschreiben.
Sinola Cowboys
Sinola Cowboys auf youtube
Ebenso tagaktuell ist und bleibt das Thema um das Allheilmittel Droge – hier in Szene gesetzt im Song „Balboa Park“, in dem ein bedeutungsloser Dealer elendig in einem Rinnstein endet.
Balboa Park
Wer sich die Zeit nimmt, dieses Album in Ruhe durchzuhören – vielleicht auch zwei- oder dreimal – wird feststellen, dass es unweigerlich in seinen Bann zieht. Dass es eine Intensität versprüht, die dem Hörer das ein oder andere Mal eine Gänsehaut auf die Arme zaubert. Und ganz bestimmt nicht nur einmal den Weg aus dem Regal in den Player finden wird.
Highway 29
Springsteen ganz anders. Nicht immer. Aber hoffentlich immer Öfters.
* Bruce Springsteen ─ Gesang, Gitarre, Harmonika, Keyboards
* Marty Rifkin ─ Gitarre
* Soosie Tyrell ─ Geige, Hintergrundgesang
* Danny Federici ─ Akkordeon, Keyboards
* Chuck Plotkin ─ Keyboards
* Garry Tallent ─ Bass
* Jim Hanson ─ Bass
* Jennifer Condos ─ Bass
* Gary Mallaber ─ Schlagzeug, Perkussion
* Lisa Lowell ─ Hintergrundgesang
* Patti Scialfa ─ Hintergrundgesang[2]
Pfui Deibel – die Neunziger. Und dann auch noch der Springsteen. Heißt – die in den 70ern Steckengebliebenen sowie Bruce-Vorurteilsbehafteten könnten gleich wegklicken.
Oder doch nicht?
Bruce Springsteen! Das ist Der Boss. Das ist Born In The USA. Das ist der Millionen-Plattenverkäufer.
Und das ist der, der sich des Öfteren kritisch mit den USA und dem American Way Of Life auseinandersetzt. Den Loosern und Underdogs ein Gesicht gibt. Die düsteren Seiten des Jeder-Kanns-Schaffen-Landes aufzeigt.
Dies hat er nie so laut und deutlich gemacht wie mit dem 1995 erschienen Album „The Ghost Of Tom Joad“. Wüsste der Hörer nicht, dass es sich hier um Springsteen handelt – es wäre bei flüchtigem Hinhören wohl nur an der Stimme erkennbar.
Tom Joad. Das ist die Hauptfigur des Romans „Früchte des Zorns“ von John Steinbeck, ausgezeichnet 1940 mit dem Pulitzer-Preis. Eine erste Verfilmung fand 1940 statt (Regie: John Ford / Henry Fonda als Tom Joad / John Carradine als Jim Casy / Jane Darwell als Mutter).
Der Roman diente dem Album „Dust And Dreams / 1991“ der Gruppe Camel als Vorlage für eben dieses Konzeptalbum, und bereits vor Springsteen widmete der Folksänger Woody Guthrie der Romanfigur Tom Joad eine Ballade. Das hier vorgestellte Album letztendlich erhielt 1997 mit dem Grammy eine Auszeichnung als „Best Contemporary Folk Album“.
Kurzinhalt, entnommen wikipedia:
Als nach einer längeren Dürre die Farmerfamilie Joad in Oklahoma ihre Schuldzinsen nicht mehr bezahlen kann, wird sie von den Grundbesitzern vom nur mehr in Pacht bewirtschafteten Land vertrieben. Auf Handzettel hin, auf denen gut bezahlte Arbeit als Landarbeiter in Kalifornien versprochen wird, macht sich die Familie wie hunderttausend andere mit einem schrottreifen Lastwagen auf den Weg nach Westen. Neben den Eltern reisen die Großeltern, der Onkel, die erwachsenen Söhne Tom, Al und Noah, die schwangere Tochter Rose of Sharon (Anspielung auf die biblische Rose von Scharon) mit ihrem jungen Mann Connie, die Kinder Ruthie und Winfield und der Wanderprediger Jim Casy. Die Großeltern verkraften den Verlust der Heimat nicht und sterben bereits auf der beschwerlichen Fahrt. Noah und Connie laufen davon. Der Vater verliert resignierend seine Führungsrolle immer mehr an die Mutter, die mit aller Kraft ein Auseinanderbrechen der Familie zu verhindern versucht. Tom, der wegen Totschlags im Gefängnis gesessen hatte und gerade erst auf Bewährung entlassen worden war, ist eine weitere Stütze.
The Ghost Of Tom Joad. Ein Werk weit abseits der bislang bekannten Springsteen-Alben. Wenngleich es häufig in einem Zug mit seinem Album „Nebraska“ genannt wird, sticht es doch im Vergleich damit und nach mehrmaligem Hören weit hervor.
Minimalistisch sein Gesang, ganz verhalten die spartanische Instrumentierung, leise und klagend die akustische Gitarre oder die einsetzende Mundharmonika. Oft nur im Hintergrund ist der Bass zu hören, und letztendlich wird fast jeder Song nach kurzer Einspielzeit durch Keyboardklänge melancholisch getragen.
Der typische Springsteen-Hörer mag nach dem ersten Durchgang verstört, erschreckt oder enttäuscht zurückbleiben. Folkhörer, die möglicherweise zufällig an dieses Album geraten sind, dürften gleich in dessen Bann geraten. Zwölf Songs voll düsterer, leiser Schönheit zerren die dunklen Seiten des American Dream gerade durch den minimalistischen Gesang sowie die zurückhaltende Instrumentierung ins Bewusstsein des Hörers.
Das Thema „Tom Joad“, gewuchtet aus dem Roman in die „Neuzeit“, zieht sich nicht vollständig durch das Album. Aber es war wohl der Auslöser für all die kleinen Stories des Albums, die sich mit den Outlaws, den Verlierern oder Vergessenen des American Way Of Life auseinandersetzen.
The Ghost Of Tom Joad
„Straight Time“ beschreibt das Leben eines ehemaligen Strafgefangenen, dem es auch nach vielen Jahren nicht gelingt, in ein “normales”, bürgerliches Leben zurückzufinden
Straight Time
Heute aktueller denn je „Sinaloa Cowboys“, ein Stück, welches sich mit dem Schicksal illegaler Einwanderer beschäftigt und mehr als geeignet dazu scheint, den Text auf aktuelle Flüchtlingskrisen der Welt umzuschreiben.
Sinola Cowboys
Sinola Cowboys auf youtube
Ebenso tagaktuell ist und bleibt das Thema um das Allheilmittel Droge – hier in Szene gesetzt im Song „Balboa Park“, in dem ein bedeutungsloser Dealer elendig in einem Rinnstein endet.
Balboa Park
Wer sich die Zeit nimmt, dieses Album in Ruhe durchzuhören – vielleicht auch zwei- oder dreimal – wird feststellen, dass es unweigerlich in seinen Bann zieht. Dass es eine Intensität versprüht, die dem Hörer das ein oder andere Mal eine Gänsehaut auf die Arme zaubert. Und ganz bestimmt nicht nur einmal den Weg aus dem Regal in den Player finden wird.
Highway 29
Springsteen ganz anders. Nicht immer. Aber hoffentlich immer Öfters.
* Bruce Springsteen ─ Gesang, Gitarre, Harmonika, Keyboards
* Marty Rifkin ─ Gitarre
* Soosie Tyrell ─ Geige, Hintergrundgesang
* Danny Federici ─ Akkordeon, Keyboards
* Chuck Plotkin ─ Keyboards
* Garry Tallent ─ Bass
* Jim Hanson ─ Bass
* Jennifer Condos ─ Bass
* Gary Mallaber ─ Schlagzeug, Perkussion
* Lisa Lowell ─ Hintergrundgesang
* Patti Scialfa ─ Hintergrundgesang[2]