Zu meiner letztjährigen Urlaubsliteratur zählte ein schon älteres Buch des Iren
Joseph O'Connor:
Inishowen Blues
Verlag: Fischer Taschenbuch Verlag; 3. Auflage (19. Oktober 2007)
In dem Buch sind einigen bekannten Musikern kleine Sätze gewidmet.
Dieses folgende Kapitel über Rory Gallagher ist besonders ausführlich geraten:
„Johnny brachte vor Aufregung kaum ein Wort heraus. Er zog eine Wodkaflasche aus der Jacke, nahm einen ordentlichen Schluck und gab sie an seinen Bruder weiter. „Das wird die Nacht deines Lebens, Kleiner“, sagte er. Er umarmte Aitken und drückte ihn fest an sich. Die Halle füllte sich schnell, nach kurzer Zeit konnte man sich in dem Gedränge kaum noch rühren. Die Vordertür stand weit offen, von draußen drängten immer mehr Leute herein. Um neun Uhr gingen die Lampen in der Halle aus. Ein Kranz roter und gelber Lichtflecken flackerte über die Bühne. Tosender Applaus erfüllte den Raum. Ein puttengesichtiger, etwas unbeholfen wirkender junger Kerl mit langem zotteligen Haar und einem karierten Holzfällerhemd kam auf die Bühne und winkte der jubelnden Menge zu.
Er wirkte, als sei ihm der besessene Applaus peinlich. Er wurde rot und verbeugte sich mehrmals. „Irgendwer hier aus Donegal?“, gluckste er ins Mikrofon. Das rasende Geheul, das darauf antwortete, entlockte ihm ein Grinsen. Er legte sich die Akustikgitarre um, drosch ein paar Akkorde, klimperte noch einmal über die Saiten und verfiel dann in einen steten, getriebenen Country-Blues-Rhythmus. Ein Schrei voller Sehnsucht und Glück stieg aus dem Publikum, sie fingen an im Takt zu stampfen und zu klatschen. Der Gitarrist hieß Rory Gallagher und er kam aus Ballyshannon, ein sauberes, verschlafenes kleines Städtchen, das Aitken und sein Bruder ein paar Wochen zuvor auf der Durchreise gesehen hatten. Die blonden Touristen in ihren Zopfmusterpullovern sperrten ungläubig Mund und Ohren auf, als er ans Mikrophon trat und zu singen begann.
Gonna tell you 'bout the wildest showdown
Ever shook the Texas plains,
That made the prairies rumble
And the bullets fall like rain,
When a bunch of foolish lawmen messed
With Frank and Jesse James
Er stand leicht gebückt in dem einzigen weißen Schweinwerfer, die langen Finger seiner klauenartigen linken Hand rasten über das Griffbrett, sein Kopf hüpfte hin und her, während er mit geschlossenen Augen heulte und knurrte, der Gitarre die Töne abzwang. Aitken hatte noch nie in seinem Leben etwas Ähnliches gehört. Ein Kribbeln jagte durch seine Adern. Frenetischer Jubel und klagendes Geheul brachen los, als das Stück zu Ende ging. Getrampel der Füße auf dem Holzboden war laut wie Donner.
„Rory!“, schrie sein Bruder. „Gallagher ist Gott!“.
„Und jetzt“, lachte Rory Gallagher heiser und keuchend, „jetzt begrüßt Johnny Wilson am Schlagzeug und Ritchie McCracken, den Mann am Bass! Yeah! Zwei langhaarige Jungs in Hosen mit Schlag und geblümten Westen traten an den Bühnenrand, winkten und warfen dem Publikum Kusshände zu. „Als nächstes ein Stück von Muddy, das ihr sicher alle gerne hört“, sagte Gallagher und warf die Haare zurück. „Jetzt kommt der Gypsy Woman Blues.“ Er nahm eine verbeulte Fender Stratocaster, schnallte sie um und schloss sie an. Kreischend hallte die Rückkopplung im ganzen Raum wider."
Ich fand diese Szene einfach herrlich und habe sie ein paar Mal gelesen. Gerne wäre ich bei diesem oder einem anderen Konzert von Rory Gallagher dabei gewesen.
Hauptfiguren des Buches sind der heruntergekommene aber sympathische irische Polizist Martin Aitken, den zwei Schicksalsschläge überrannt haben und der nun vor sich selbst und vor dem Leben davonläuft. Ebenso die todkranke Amerikanerin Ellen Donelly, die in Irland auf der Suche nach Ihrer leiblichen Mutter ist, und für die die Zeit knapp wird. Und da ist Milton Amery, der von Ellen verlassene Ehemann, ein erfolgreicher Schönheitschirurg und Frauenheld, der sich selbst am meisten liebt.
Die im äußersten Norden Irlands gelegene Halbinsel Inishowen ist das Ziel von Ellen, Martin, Milton und den anderen Protagonisten. Hier werden sich alle treffen, und hier soll sich alles zum Guten wenden.
Bei aller - zum Teil überzogenen - Tragik der Hauptcharaktere bewahrt der humorvolle Schreibstil O’Connors die Geschichte davor, ins Rührselige abzudriften. Auch wenn in dem Buch einige Klischees bedient werden und das Ende ziemlich konstruiert wirkt, macht es doch großen Spaß, es zu lesen. Das liegt vor allem an den Charakteren, die sehr sympathisch beschrieben werden. Ich habe das Buch in kürzester Zeit ausgelesen, weil ich wissen wollte, wo die Reise der einzelnen Personen hinführt.
Der Schriftsteller Joseph O’Connor wurde 1963 in Dublin geboren und ist der ältere Bruder von Sinéad O’Connor.
Die wilde Ballade vom lauten Leben, sein neuestes Buch und diesmal ganz im Zeichen der Musik, ist gerade frisch erschienen und wird sich wohl wieder in mein Reisegepäck schmuggeln.
Joseph O'Connor:
Inishowen Blues
Verlag: Fischer Taschenbuch Verlag; 3. Auflage (19. Oktober 2007)
In dem Buch sind einigen bekannten Musikern kleine Sätze gewidmet.
Dieses folgende Kapitel über Rory Gallagher ist besonders ausführlich geraten:
„Johnny brachte vor Aufregung kaum ein Wort heraus. Er zog eine Wodkaflasche aus der Jacke, nahm einen ordentlichen Schluck und gab sie an seinen Bruder weiter. „Das wird die Nacht deines Lebens, Kleiner“, sagte er. Er umarmte Aitken und drückte ihn fest an sich. Die Halle füllte sich schnell, nach kurzer Zeit konnte man sich in dem Gedränge kaum noch rühren. Die Vordertür stand weit offen, von draußen drängten immer mehr Leute herein. Um neun Uhr gingen die Lampen in der Halle aus. Ein Kranz roter und gelber Lichtflecken flackerte über die Bühne. Tosender Applaus erfüllte den Raum. Ein puttengesichtiger, etwas unbeholfen wirkender junger Kerl mit langem zotteligen Haar und einem karierten Holzfällerhemd kam auf die Bühne und winkte der jubelnden Menge zu.
Er wirkte, als sei ihm der besessene Applaus peinlich. Er wurde rot und verbeugte sich mehrmals. „Irgendwer hier aus Donegal?“, gluckste er ins Mikrofon. Das rasende Geheul, das darauf antwortete, entlockte ihm ein Grinsen. Er legte sich die Akustikgitarre um, drosch ein paar Akkorde, klimperte noch einmal über die Saiten und verfiel dann in einen steten, getriebenen Country-Blues-Rhythmus. Ein Schrei voller Sehnsucht und Glück stieg aus dem Publikum, sie fingen an im Takt zu stampfen und zu klatschen. Der Gitarrist hieß Rory Gallagher und er kam aus Ballyshannon, ein sauberes, verschlafenes kleines Städtchen, das Aitken und sein Bruder ein paar Wochen zuvor auf der Durchreise gesehen hatten. Die blonden Touristen in ihren Zopfmusterpullovern sperrten ungläubig Mund und Ohren auf, als er ans Mikrophon trat und zu singen begann.
Gonna tell you 'bout the wildest showdown
Ever shook the Texas plains,
That made the prairies rumble
And the bullets fall like rain,
When a bunch of foolish lawmen messed
With Frank and Jesse James
Er stand leicht gebückt in dem einzigen weißen Schweinwerfer, die langen Finger seiner klauenartigen linken Hand rasten über das Griffbrett, sein Kopf hüpfte hin und her, während er mit geschlossenen Augen heulte und knurrte, der Gitarre die Töne abzwang. Aitken hatte noch nie in seinem Leben etwas Ähnliches gehört. Ein Kribbeln jagte durch seine Adern. Frenetischer Jubel und klagendes Geheul brachen los, als das Stück zu Ende ging. Getrampel der Füße auf dem Holzboden war laut wie Donner.
„Rory!“, schrie sein Bruder. „Gallagher ist Gott!“.
„Und jetzt“, lachte Rory Gallagher heiser und keuchend, „jetzt begrüßt Johnny Wilson am Schlagzeug und Ritchie McCracken, den Mann am Bass! Yeah! Zwei langhaarige Jungs in Hosen mit Schlag und geblümten Westen traten an den Bühnenrand, winkten und warfen dem Publikum Kusshände zu. „Als nächstes ein Stück von Muddy, das ihr sicher alle gerne hört“, sagte Gallagher und warf die Haare zurück. „Jetzt kommt der Gypsy Woman Blues.“ Er nahm eine verbeulte Fender Stratocaster, schnallte sie um und schloss sie an. Kreischend hallte die Rückkopplung im ganzen Raum wider."
Ich fand diese Szene einfach herrlich und habe sie ein paar Mal gelesen. Gerne wäre ich bei diesem oder einem anderen Konzert von Rory Gallagher dabei gewesen.
Hauptfiguren des Buches sind der heruntergekommene aber sympathische irische Polizist Martin Aitken, den zwei Schicksalsschläge überrannt haben und der nun vor sich selbst und vor dem Leben davonläuft. Ebenso die todkranke Amerikanerin Ellen Donelly, die in Irland auf der Suche nach Ihrer leiblichen Mutter ist, und für die die Zeit knapp wird. Und da ist Milton Amery, der von Ellen verlassene Ehemann, ein erfolgreicher Schönheitschirurg und Frauenheld, der sich selbst am meisten liebt.
Die im äußersten Norden Irlands gelegene Halbinsel Inishowen ist das Ziel von Ellen, Martin, Milton und den anderen Protagonisten. Hier werden sich alle treffen, und hier soll sich alles zum Guten wenden.
Bei aller - zum Teil überzogenen - Tragik der Hauptcharaktere bewahrt der humorvolle Schreibstil O’Connors die Geschichte davor, ins Rührselige abzudriften. Auch wenn in dem Buch einige Klischees bedient werden und das Ende ziemlich konstruiert wirkt, macht es doch großen Spaß, es zu lesen. Das liegt vor allem an den Charakteren, die sehr sympathisch beschrieben werden. Ich habe das Buch in kürzester Zeit ausgelesen, weil ich wissen wollte, wo die Reise der einzelnen Personen hinführt.
Der Schriftsteller Joseph O’Connor wurde 1963 in Dublin geboren und ist der ältere Bruder von Sinéad O’Connor.
Die wilde Ballade vom lauten Leben, sein neuestes Buch und diesmal ganz im Zeichen der Musik, ist gerade frisch erschienen und wird sich wohl wieder in mein Reisegepäck schmuggeln.