Wishbone Ash - Kulturfabrik Krefeld, Mittwoch, 24. Jan. 2018
Obwohl Wishbone Ash schon "von klein auf" zu meinen Lieblingsbands gehört, habe ich es nie geschafft, sie live zu sehen. Das ist seit gestern nun Dank eines Überraschungsgeschenks meines Bruders anders. Zwei Karten hingen seit einigen Wochen an der Pinnwand und warteten darauf, eingerissen zu werden.
Einlass war 19 Uhr. Wir waren pünktlich und konnten erleben, wie die Halle sich langsam füllte.
Als Vorband war eine uns bis dato unbekannte Dame namens
Doris Brendel angekündigt. Sie wurde begleitet von vier Musikern, so dass auf der Bühne neben E-Gitarre, Bass, Schlagzeug auch Keyboard und Flöte zum Einsatz kamen. Nicht nur durch ihre kreativen Kostümierungen wussten die fünf Musiker zu überzeugen. Auch musikalisch wurde einiges geboten. Doris Brendel, deren Heimatland England ist, die aber ein wenig Deutsch spricht, verstand es ausgezeichnet, das Publikum mit ihrer rauchigen Stimme in den Bann zu ziehen. Die Stücke bewegten sich zwischen Progressive, Folk und Rock. Ich kann gut und gerne auf Vorbands verzichten, aber dieser Auftakt war dann doch eine absolut positive Überraschung.
Der anschließende Umbau ging flott über die Bühne. Mittlerweile hatte sich die Halle weiter gefüllt. Geschätzte 800 Leute warteten auf den Auftritt der Hauptakteure. Gegen 21 Uhr war es soweit. Andy Powell, Bob Skeat, Joe Crabtree und Mark Abrahams stürmten die Bühne und legten ohne großes Trara gleich mit einem "neueren" Instrumental los -
Bona Fide, der perfekte Einstieg.
Die nächsten beiden Stücke "
Eyes Wide Open" und "
Way Down South" trafen nicht so ganz meinen Geschmack. Mein mich begleitender Lieblingsmann merkte an, dass "Way Down South" wie ein netter, radiotauglicher Pop-Song klingt - recht hat er. Na ja, abgesehen vielleicht vom Gitarrenpart am Ende.
Meine Favoriten sollten noch kommen. Mit den ersten Takten von "
The King Will Come" war auch schon klar, was nicht nur ich hören wollte. ALLE wollten die Klassiker hören. Mit "
The Warrior" und "
Throw Down The Sword" waren dann auch gleich drei Titel meiner Lieblings-CD vertreten. Die musikalische Umsetzung war überzeugend. Einzig die Stimme Andy Powells war nicht immer ganz treffsicher und etwas dünn, und daher leider nicht sehr ausdrucksstark. Vielleicht hatte man sich deshalb auch bei einigen Stücken Doris Brendel und Lee Dunham (der ausgezeichnete Gitarrist der Vorband) als Verstäkung auf die Bühne geholt.
Anschließend begann der Teil, der meinem Begleiter am besten gefiel. Andy Powell und Mark Abrahams wechselten ihre E-Gitarren gegen Akustikgitarren, um besonders mit "
Leaf And Stream", aber auch mit "
Wings Of Desire" zu verzaubern.
Mit
F.U.B.B. folgte nun wieder ein Instrumentalstück, bei dem alle vier Mannen zeigen konnten, was sie drauf haben. Die ersten Minuten werden vom Bass beherrscht. Intensiv und düster gibt er das Tempo vor, und erst langsam gibt er den anderen Instrumenten Raum. Ganz gemächlich wird minutenlang gejammt, erst zum Schluss des Stückes zieht das Tempo an. Klasse.
Wäre es ein Wunschkonzert gewesen, hätte ich mir statt des folgenden Stückes "
Standing In The Rain" sicher noch einen Song aus der Zeit vor 1974 gewünscht.
Ohne dem Publikum Zeit für einen Applaus zu geben, ging es zum nächsten Titel. Für mich einer der Höhepunkte:
Jailbait. Druckvoll gespielt, und auch stimmlich gefällt mir Andy Powell hier besser.
Was noch fehlte, war ein Song des Debütalbums, und das folgte sofort. Mit "Phönix" wurde das reguläre Set beendet.
Als erste Zugabe kam ganz in meinem Sinne "Blowin' Free" und zu guter Letzt mit "Faith, Hope And Love" ein Stück der Neuzeit.
Von kleinen Ausnahmen (bei den neueren Stücken) abgesehen, hatte ich in dem fast 2 Stunden dauernden Konzert keine Sekunde das Gefühl von verschenkter Zeit, stattdessen aber mehrere Déjà-vus. Mehr als einmal kam das Bedürfnis auf, einfach die Augen zu schließen, um schönen Erinnerungen nachzuhängen.
Der Konzertabend hätte sehr gerne länger dauern können, um z. B. "Time Was", "Errors Of My Way" und und und... zu hören. Aber alles hat ein Ende... auch dieser Bericht.
Die Setlist:
Bona Fide (Album Bona Fide, 2002)
Eyes Wide Open (Album Clan Destiny, 2006)
Way Down South (Album Blue Horizon, 2014)
The King Will Come (Album Argus, 1972)
The Warrior (Album Argus, 1972)
Throw Down The Sword (Album Argus, 1972)
Leaf And Stream (Album Argus, 1972)
Wings Of Desire (Album Strange Affair, 1991)
F.U.B.B (Album There's the Rub, 1974)
Standing In The Rain (Album Strange Affair, 1991)
Jailbait (Album Pilgrimage, 1971)
Phoenix (Album Wishbone Ash, 1970)
Die Zugaben:
Blowin’ Free (Album Argus, 1972)
Faith, Hope And Love (Album Bona Fide, 2002)
Anmerkung des besten Ehemannes von allen:
Ich gestehe - für mich waren
Wishbone Ash ein großer Name ohne Inhalt. So bin ich eher Frau C. zuliebe zu diesem Konzert gegangen. Kurz und knapp: ich habe keine Sekunde bereut. Die Musik war klasse! Keine Frage - hier standen Profis auf der Bühne, die offensichtlich gerne zusammenspielen. Auch die Aussteuerung der Technik war hervorragend, sodass die vorsichtshalber mitgebrachten Ohrstöpsel nicht benötigt wurden.
Allerdings gibt es auch ein kleines "Schade": Aus meiner Sicht fehlt dem Frontmann eine Portion an Charisma. Vergleiche ich ihn mit einem Steve Hogarth, liegen Welten dazwischen. Die meiste Ausstrahlung hatte auf der Bühne der noch recht frische Gitarrist
Mark Abrahams. Dies tut nun der Musik keinen Abbruch, wäre aber das Salz in der Suppe gewesen. Ein bisschen Pelle auf dem Rücken ist ja nun auch nicht schlecht, gelle?
Die Vorband Doris Brendel
Wishbone Ash