Gazpacho - Molok (2015)

 
badMoon
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Gazpacho - Molok (2015)

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Gepostet: 29.10.2015 - 18:33 Uhr  ·  #1
Gazpacho - Molok

Progressive Rock / Neo Prog - Spielzeit: 44:35


[Die Band]

Jan-Henrik Ohme - Gesang
Jon-Arne Vilbo - Gitarre
Kristian Torp - E-Bass
Lars-Erik Asp - Schlagzeug
Thomas Andersen - Keyboard
Mikael Krøme - Violine, Gitarre, Mandoline

[Gastmusiker]

Gjermund Kolltveit - "singende" Steine, div. Knochen,
Stian Carstensen - Akkordeon, Kaval, Bulgarische Fiddle
Marianne Pentha - Background Vocals
Borge Are Halvorsen - div. Saxophones
Stig Epsen Hundsnes - Trompete

[Die Scheibe]

Die norwegische Progband Gazpacho legt hier ihr neuntes Studioalbum vor. Wieder handelt es sich um ein Konzeptalbum, welches sich diesmal mit der 1920 erschaffenen Maschine "Molok" und dessen Erfinder beschäftigt. Diese Maschine soll anhand eines Zahlencodes unser Universum kräftig erschüttern lassen können.

Schieben wir diesen angeblich wissenschaftlich (Dr. Adam Washington von der University of Sheffield) belegten Aufhänger für dieses Album beiseite - und lassen ganz einfach die Musik sprechen.

Zunächst in aller Kürze: Freunde der Band Gazpacho dürfen sich freuen. Die Band bleibt sich treu. Und dennoch kopiert sie sich nicht selbst, sondern liefert wieder ein vollständig neues Album mit neuen Klangexperimenten in altvertrauter Gazpacho-Manier ab. Und noch eines sei vorab verraten: Das Niveau des Longplayers "Demon", oft herangezogen als musikalische Messlatte der Band, wird mit diesem Nachfolgealbum locker erreicht.

Vergleiche ich dieses Album mit den anderen Gazpacho-Werken, scheint mir der Gesang Jan Henrik Ohmes' mehr in den Vordergrund gerückt zu sein. Fast scheint es, er erzählt eine Geschichte, welche von der Musik begleitet oder untermalt wird. Nicht übel, gefällt seine Stimme doch sehr gut und wird schön abwechslungsreich eingesetzt.

Ebenso habe ich den Eindruck, dass Band und Musik gereift sind. Sofern dies nach einer fast zwanzigjährigen (!!!) Präsenz überhaupt möglich sein kann. Das Album macht einen sehr professionellen Eindruck, die Band braucht sich hinter anderen Größen dieses Genres wahrlich nicht mehr verstecken. Ganz im Gegenteil - sie haben sich vehement in die erste Liga vorgespielt.

Nun aber - den Verstärker weit aufdrehen, zurücklehnen und genießen. Hinter den dumpfen Trommelklängen, die nach dem Start entgegenblasen, ist ein heller, kaum definierbarer Grundton zu hören, der den Opener leicht mystisch wirken lässt. Leicht klagend setzt Ohmes' Gesang ein, und allmählich steigert sich Park Bench zu einem schönen, dicht-melancholischen Klangteppich, der am Ende nur mit einem tiefen Kontrabasston nahtlos in den nächsten Track The Master’s Voice, überleitet.

Park Bench


Es ist wohl dem Thema des Albums, dem Befassen mit Mythen, Götterverehrung oder dem philosophieren um diese Themen herum geschuldet, dass das Album fast vollständig in dieser melancholisch-düsteren Grundstimmung bleibt. Gelegentlich tritt der Gesang in den Hintergrund, rockige Klänge mittels Gitarre, Keyboard und Drums wecken aus der beklemmenden Stimmung, in die das Album den Hörer versetzen kann.

Aber - um nicht ganz der Depression zu verfallen, gibt es ja auch Songs wie beispielsweise den Choir of Ancestors, in welchem Ohme durch himmlisch schönen weiblichen Gesang begleitet wird, der die Stimmung mit einem etwas längeren Gitarren-/Keyboardsolo wieder anhebt und sogar zum lauten Mitsingen animiert.

Choir of Ancestors


Auch Track No.3, "Bela Kiss", lässt die Schwere des Albums für knappe 100 Sekunden vergessen. Erheblichen Anteil hat der norwegische Künstler Stian Carstensen, ein Jazzmusiker mit klassischer Akkordeonausbildung. Und eben diese balkan'schen Akkordeonklänge sorgen für stimmungsvollen Schwung und laden fast zum Tanzbeinschwingen ein. Jedoch können auch diese 100 schwungvolle Sekunden nicht über den melancholischen, leicht düster-traurigen Grundtenor des Albums hinwegtäuschen oder ihn vergessen lassen. Dies wird die Band auch ansatzweise gar nicht gewollt haben.

Bela Kiss


Leicht orientalisch-afrikanisch nimmt uns "Algorithm" mit auf eine kurze musikalische Reise. In einen tiefbassigen Grundton mischt sich das Summen des Sängers, Beckenschläge ergänzen den Song, der im weiteren Verlauf von Drums, schwebenden Keyboardklängen und Ohmes Summen dominiert wird. Der einzige textlose Track auf dieser CD.

Algorithm


Mit "Molok Rising" findet der Longtrack seinen würdigen Abschluss. Ein Song, wie ich ihn liebe: Über 9:30 Minuten ein allmählicher, sich steigernder Aufbau. Auch hier beherrscht wieder der Gesang das Geschehen - selbst dann, wenn über dem Song der bedrohlich wirkende Synthie wabert.

Molok Rising


Worauf noch warten? Das Herbstwetter ist da, nasskalte Tage gibt es zur Genüge, und zum Feierabend ist es bereits fast dunkel. Die beste Gelegenheit, sich in diese Musik fallen zu lassen. Und wer glücklicher Besitzer eines Kaminofens ist, lässt die Musik vom leisen Knistern und Knacken des brennenden Holzes begleiten.

[Die Songs]

1 – Park Bench - 06:44
2 – The Master’s Voice - 04:08
3 – Bela Kiss - 02:45
4 – Know Your Time 06:07
5 – Choir of Ancestors 04:44
6 – ABC 03:26
7 – Algorithm 03:10
8 – Alarm 03:54
9 – Molok Rising 09:38

[Die Verpackung]

Die hier beschriebene CD liegt mir als "Deluxe-Ausgabe" vor. In festem Einband ist ein liebevoll gestaltetes, 20-seitiges Booklet eingeheftet. Es wird mit dunklen, zum Thema der CD passenden Grafiken verziert. Alle Texte sind gut lesbar in weißer Schrift abgedruckt. Die CD ist gut entnehmbar in einer Kunststoffaufbewahrung innen auf dem hinteren Deckel aufbewahrt.

[Weitere Rezensionen im Zirkus]

Gazpacho - Night

[Konzertbericht im Zirkus]

Life in Uden/NL

[Gazpacho im Internet]

Wikipedia

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Triskell
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Re: Gazpacho - Molok (2015)

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Gepostet: 29.10.2015 - 19:31 Uhr  ·  #2
Neo-Prog mit all seinen Bands ist nun mal überhaupt nicht meine Welt, aber die Beschreibung und die Darstellung Deiner Vorstellung ist klasse. ://
nixe
 
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Re: Gazpacho - Molok (2015)

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Gepostet: 29.10.2015 - 19:53 Uhr  ·  #3
Doch ich muss badMoon Recht geben: wieder ein superAlbum aus dem Hause Gazpacho!!!!
Scoot
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Re: Gazpacho - Molok (2015)

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Gepostet: 29.10.2015 - 21:00 Uhr  ·  #4
Wahrlich fein ge- und be-schrieben, Wolfgang.

Für mich ist MOLOK wieder mal ein geniales Album, welches von Hören zu Hören
immer mehr Neues zu entdecken birgt.
Proggy
 
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Re: Gazpacho - Molok (2015)

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Gepostet: 29.10.2015 - 22:23 Uhr  ·  #5
Mensch Wolfgang,
haste fein gemacht! Deine Rezi macht einfach Lust auf dieses Teil!
Hervorragend beschrieben kann ich mich in diese Sache hineinversetzen!

Holz ist auch genügend da, Feuerstelle findet sich bei Schwiegerma und da liegt dann ein Bärenfell davor zum liegen und lauschen! Einzig , es fehlt das Teil...!
Vielen Dank für Deine Mühe!
LG aus Proggdorf
dan
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Re: Gazpacho - Molok (2015)

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Gepostet: 30.10.2015 - 14:26 Uhr  ·  #6
Absolut starke Vorstellung, Danke dafür. Gefiel mir die Vorgängerscheibe nicht so gut, läßt mich jetzt z.B "Choir of Ancestors" verschärft drüber nachdenken, mir das Teil zuzulegen.
holger_fischer
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Re: Gazpacho - Molok (2015)

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Gepostet: 30.10.2015 - 21:46 Uhr  ·  #7
Wolfgang, wirklich hervorragende Rezi! Ich selbst habe das Werk Tick Tock, welches mir ausgesprochen gut gefällt. Deine Vorstellung lässt einen zum Bestellzettel greifen. Dabei habe ich für November schon weitere 5 Alben im Auge. Zzgl. der kommenden Magma-Box. Dabei wollte ich sparen. Was soll's. Man lebt nur einmal.
Stattmeister
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Re: Gazpacho - Molok (2015)

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Gepostet: 01.11.2015 - 11:36 Uhr  ·  #8
Feine Rezi, wie auch nichts anders von dir zu erwarten. o) Jetzt nach dem dritten Hördurchgang hätte ich auch ähnlich positiv geschrieben, beim ersten Hören war ich zunächst enttäuscht. Gestern dann hörte ich zunächst "Demon" und dann "Molok" und stelle fest: beide auf hohem Qualitätsniveau, beide haben ihre unterschiedlichen Reize.

"Vergleiche ich dieses Album mit den anderen Gazpacho-Werken, scheint mir der Gesang Jan Henrik Ohmes' mehr in den Vordergrund gerückt zu sein." - Ja, ganz deutlich, bei Demon war sie besonders in den Hintergrund gerückt.

Mein bisheriger Favorit auf Molok: "Know your time"- Wunsch für die Zukunft: mehr Einflüsse der Balkan-Musik wie in "Bela Kiss".
badMoon
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Re: Gazpacho - Molok (2015)

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Gepostet: 01.11.2015 - 12:23 Uhr  ·  #9
Zitat geschrieben von Stattmeister

Feine Rezi, wie auch nichts anders von dir zu erwarten. o) Jetzt nach dem dritten Hördurchgang hätte ich auch ähnlich positiv geschrieben, beim ersten Hören war ich zunächst enttäuscht. Gestern dann hörte ich zunächst "Demon" und dann "Molok" und stelle fest: beide auf hohem Qualitätsniveau, beide haben ihre unterschiedlichen Reize.

"Vergleiche ich dieses Album mit den anderen Gazpacho-Werken, scheint mir der Gesang Jan Henrik Ohmes' mehr in den Vordergrund gerückt zu sein." - Ja, ganz deutlich, bei Demon war sie besonders in den Hintergrund gerückt.

Mein bisheriger Favorit auf Molok: "Know your time"- Wunsch für die Zukunft: mehr Einflüsse der Balkan-Musik wie in "Bela Kiss".


...enttäuscht wäre zu drastisch ausgedrückt, aber mir ging es ähnlich. Die Scheibe hat nicht sofort gezündet. So bin ich froh, die Rezi erst nach dem vierten, fünften Hördurchgang geschrieben zu haben. Sie wurde mit jedem Hören besser und intensiver, mittlerweile gehen mir manche Melodien gar nicht mehr aus dem Kopf.
sunny
 
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Re: Gazpacho - Molok (2015)

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Gepostet: 04.11.2015 - 07:37 Uhr  ·  #10
danke für die feine Vorstellung, die Hörproben zünden nicht so,
ich werde mich damit etwas genauer beschäftigen. :D
pur
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Re: Gazpacho - Molok (2015)

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Gepostet: 16.11.2015 - 09:29 Uhr  ·  #11
Super Rezi :// Gazpacho ist einer meiner Lieblingsband und ich freue mich auf dieses neue Album sehr besonders jetzt nach deinem Rezi mehr :)
badMoon
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Re: Gazpacho - Molok (2015)

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Gepostet: 23.12.2015 - 12:46 Uhr  ·  #12
In der aktuellen eclipsed (Dez15/Jan16) ergattert das Album 8,5 von 10 Sternchen. Das hätte ein halbes Sternchen mehr sein dürfen, dennoch - ein feines Ergebnis.
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